IPv6 über Satellit: Jetzt nur noch miteinander reden lernen ...

Seit drei Jahren wird an der virtuellen Seidenstraße zwischen West- und Zentralasien und dem europäischen Forschungsnetz Géant gebaut. Auch für den Weg über IPv6 ist nun alles bereit.

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Von
  • Monika Ermert

Seit drei Jahren wird an der virtuellen Seidenstraße gebaut. Die für rund 3 Millionen US Dollar aus dem Haushalt der NATO errichtete IPv4-"Hauptstraße" aus West- und Zentralasien zu Europas Forschungs-Backbone Géant wird bereits von Forschungsinstitutionen in insgesamt acht früheren Sowjetrepubliken benutzt. Auch für den Weg über IPv6 ist nun alles bereit: Die IABG, die für die ESA das Projekt "IPv6 über DVB-S" verwaltet hat, legte einen Abschlussbericht vor.

"Die Technik ist da", sagt Wolfgang Fritsche. Bei der Videokonferenz, bei der man über die IP-Satellitenverbindung mit Partnern in Usbekistan, Kasachstan, und Aserbaidschan zusammengeschaltet war, gab es vor allem ein eher untechnisches Problem: Mit der gemeinsamen Kommunikation tat man sich noch etwas schwer. Roundtrip-Zeiten von rund 800 Millisekunden bei der Video-Audio-Konferenz fordern den Teilnehmern auch viel Disziplin bei der Kommunikation ab. Durch eine gute Moderation, meinte Fritsche, seien solche Verzögerungszeiten allerdings in den Griff zu bekommen. Bei Schwankungen der Verzögerungen (den so genannten Jitterraten) von 70 bis 80 Millisekunden müsse man aber schon darauf achten, welche Anwendungen man nutze.

Ziel des IPv6-Projektes war es nicht zuletzt, für Projektauftraggeber ESA die Satellitenübertragung mit dem IPv6-Protokoll zu verheiraten. Dabei stellten sich Probleme auf allen Ebenen, von den Anschlüssen über das eigentliche Netzwerk bis hin zu Transport- und Management-Protokollen. So mussten die Forscher klären, wie IPv6-Funktionen realisiert werden können, die bidirektionale Kommunikation erfordern, etwa die automatische Erkennung des IPv6-Nachbarn. Die Satellitenverbindungen sind klassischerweise unidirektional. Eine Lösung dafür, meint der Abschlussbericht, seien zwei unidirektionale Verbindungen über DVB-S.

Insgesamt entstehen eine ganze Reihe von Problemen dadurch, dass in der Satellitentechnik eingesetzte Protokolle und Hardware die längeren 128-Bit-Adressen von IPv6 nicht kennen. Vorarbeiten für neue Protokolle sind aber da, so bedienten sich die Empfängerkarten bei den Partnern im Kaukasus der Ultra Lightweight Encapsulation (ULE), an der in der IETF gearbeitet wird, da die normalerweise verwendete Multiprotocol Encapsulation (MPE) IPv6 und IPv4 nicht klar unterscheidet.

Fritsche sich sicher, dass insbesondere Voice-over-IP (VoIP) eine der wichtigsten Anwendungen für die Forschungseinrichtungen in den beteiligten Ländern im Kaukasus ist. Telefonieren ist dort noch teuer, Telefonkonferenzen mit den Kollegen am anderen Ende Europas unerschwinglich. Daher sei das mit Unterstützung von Cisco integrierte VoIP-Projekt höchst willkommen. Gerade für eine Anwendung wie VoIP benötigte man allerdings die IPv6-Adressen, betonte Fritsche, da die Internet-Latecomer im Kaukasus ziemlich sparsam mit IPv4-Adressen ausgestattet sind.

Nach Abschluss der IPv6-Projektphase bleibt für die Praxis noch eine ganze Menge zu tun. Allerdings muss für eine Fortführung erst einmal wieder Geld aufgetrieben werden. Vor allem für das von der ESA für das Satelliteneqipment und die Satellitenbandbreite von 2,5 MBit/s bereitgestellte Geld müsste Ersatz her, damit aus dem schönen Projekt richtige Praxis wird.

Für Grundlagen, Spezifikationen und weitere Berichte zu IPv6 siehe:

(Monika Ermert) / (jk)