Apps auf Rezept: Datensammeln soll erlaubt sein, "umfassendes Tracking" nicht

Gesundheitsminister Spahn listet in einem Verordnungsentwurf Kriterien auf, anhand derer die Übernahme der Kosten für E-Health-Anwendungen entschieden wird.

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Apps auf Rezept: Datensammeln soll erlaubt sein, "umfassendes Tracking" nicht

(Bild: Shutterstock/BlurryMe)

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Patienten soll es künftig möglich sein, Gesundheits-Apps auf Rezept zu erhalten. Dies sieht das umstrittene "Digitale-Versorgung-Gesetz" (DVG) vor, das der Bundestag im November verabschiedet hat. Mit einem Referentenentwurf für eine "Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung" will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nun die Anforderungen an in Frage kommende Apps insbesondere rund um Sicherheit, Qualität und Datenschutz definieren.

Der CDU-Politiker hat sich zudem mit dem heise online vorliegenden Verordnungsentwurf das Ziel gesteckt, "verlässliche Vorgaben für Methoden und Verfahren zum Nachweis" der zu erfüllenden "positiven Versorgungseffekte" zu machen. Zudem soll entlang der geplanten Vorgaben ein "funktionales, nutzerfreundliches und transparentes Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen" eingerichtet werden.

Etablieren will Spahn auch ein unabhängiges, strukturiertes und verlässliches Prüfverfahren anhand von insgesamt über 120 Aspekten, um dauerhaft zu gewährleisten, dass die Bedarfe "initial und im Falle wesentlicher Veränderungen" der Apps eingehalten werden. Insgesamt stellten die Verfahrensauflagen sicher, "dass qualitativ hochwertige digitale Gesundheitsanwendungen zügig in die Versorgung gelangen und so einen Mehrwert für die Versicherten generieren".

Beim im Vorfeld besonders umkämpften Punkt Datenschutz soll der Hersteller einer erstattungsfähigen digitalen Gesundheitsanwendung verpflichtet werden, die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben und "die Anforderungen an die Datensicherheit nach dem Stand der Technik unter Berücksichtigung der Art der verarbeiteten" Messwerte und der damit verbundenen Schutzstufen zu erfüllen.

Persönliche Informationen dürften mit der Plazet der Betroffenen zur "dauerhaften Gewährleistung der technischen Funktionsfähigkeit und der Nutzerfreundlichkeit der digitalen Gesundheitsanwendung" verwendet werden, heißt es weiter. Laut der Begründung ist das so zu verstehen, dass "ein umfassendes Tracking der Nutzeraktivitäten" unzulässig sei.

Daten dürften zudem – auch im Auftrag – nur im Inland, in einem EU-Mitgliedsstaat oder einem Land mit angemessenen Vorschriften verarbeitet und nicht für Werbezwecke verwendet werden. Ein App-Produzent soll auch "alle für ihn tätigen Personen, die Zugang zu personenbezogenen Daten der Versicherten haben, auf Verschwiegenheit" verpflichten.

Der Passus dürfte für neue Auseinandersetzungen sorgen. Anhand der Anwendung Ada Health, die ursprünglich Krankheitssymptome samt Metadaten selbst an Dritte übertrug, hatte c't im Herbst massive Datenschutzmängel im digitalen Gesundheitswesen aufgedeckt. Die Techniker Krankenkasse stellte daraufhin ihre Kooperation mit der gleichnamigen Berliner Produktionsfirma ein. Inzwischen haben sich rund 60 Hersteller digitaler Gesundheitslösungen zum Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) zusammengeschlossen. Ansprechpartner der Lobbygruppe ist Ada Health.

Diana Heinrichs aus dem SVDGV-Vorstand betonte jüngst: "Wir brauchen transparente Maßstäbe, nach denen digitale Gesundheitsanwendungen anerkannt werden." Gesunde Geschäftsmodelle mit nachhaltiger Finanzierung müssten durch das DVG unterstützt werden, Innovation und Wettbewerb dürften nicht eingeschränkt werden. Der Verband begrüßte daher auch bereits, dass es zulässig bleiben solle, mithilfe der benötigten Daten digitale Angebote im Sinne der Nutzbarkeit kontinuierlich für Patienten zu optimieren.

AOK-Chef Martin Litsch unterstrich dagegen gegenüber dem Handelsblatt, dass keine Daten an Dritte gelangen dürften. Auch der Umgang mit bereits erhobenen Informationsbergen müsse geklärt werden für den Fall, dass App-Hersteller verkauft werden.

Dazu kommen sollen laut dem Entwurf Auflagen etwa für die "technische und semantische Interoperabilität". Versicherte sollen demnach die von der Gesundheitsanwendung erhobenen und gespeicherten Daten "in geeigneten interoperablen Formaten" exportieren und weiternutzen können. Ferner müsse die App interoperable Schnittstellen verwenden, falls sie Messwerte mit vom Versicherten genutzten Medizingeräten oder mit von ihm getragenen "Sensoren zur Messung und Übertragung von Vitalwerten (Wearables)" austauschen könne.

Der Produzent soll zudem gewährleisten, dass die Versicherten spätestens ab Juli 2021 Auszüge der verarbeiteten Gesundheitsdaten insbesondere zu Therapieverläufen, -planungen und -ergebnissen sowie durchgeführten Auswertungen in einem interoperablen Format in eine elektronische Patientenakte überführen können.

Dazu kommen Details zu Punkten wie Robustheit, Verbraucherschutz, Patientensicherheit und Funktionalität mithilfe einer CE-Konformitätskennzeichnung des Medizinproduktes und zur "Qualität der medizinischen Inhalte": Der Hersteller einer digitalen Gesundheitsanwendung hat demnach auch fortlaufend sicherzustellen, dass die verwendeten medizinischen Inhalte "dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen".

Der App-Produzent soll den Nachweis der verlangten positiven Effekte "mittels einer vergleichenden Studie" erbringen, ist dem Papier zu entnehmen. Erreicht werden müssten ein medizinischer Nutzen etwa in Form eines verbesserten Gesundheitszustands oder "der Verlängerung des Überlebens" oder "patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen in der Versorgung". In der Analyse sei auch zu belegen, dass die "Intervention" einem Nichtstun gegenüber "überlegen ist". Die Ergebnisse müssten vollumfänglich im Internet veröffentlicht werden.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte soll dann abwägen, ob anhand der vorgelegten Unterlagen wirklich mit den gewünschten Auswirkungen zu rechnen ist. Der Hersteller muss im zweiten Schritt nach der Probephase "ein nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards erstelltes Evaluationskonzept" vorlegen, das aus den Ergebnissen der Pilotstudie abgeleitet ist. Die Kosten für die Nachweise verankert das Ministerium bei "bis zu einem unteren sechsstelligen Bereich".

Das Verzeichnis der erstattungsfähigen Anwendungen soll bis Anfang 2021 fertiggestellt und als Programmschnittstelle in den Praxisverwaltungssystemen implementiert sein. Ein Fragebogen in Form einer Checkliste der zu erfüllenden Anforderungen liegt dem Entwurf bereits bei. (olb)