Batterieelektrische Fähren in Modulbauweise – die Medstraum ist schon unterwegs

Die Klimabilanz der Schifffahrt lässt zu wünschen übrig. Ein internationales Forschungsteam hat batterieelektrische Fähren in Modulbauweise entwickelt.

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Schiffsmodell aus 3D-Druck liegt auf einem Tisch in einer Messehalle

Die batterieelektrische Fähre mit hohem Brückenmodul.

(Bild: heise online/ kbe)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Dekarbonisierung des Mobilitätssektors ist eine gewaltige Aufgabe. Forschungsgruppen der Fraunhofer-Institute IEM und IAO haben mit ihrer Entwicklung einer modular zu bauenden batterieelektrischen Katamaran-Fähre den Schiffsverkehr mit bis zu 150 Passagieren pro Fahrzeug in den Blick genommen. Ihre Ergebnisse stellten die Forscher auf der Hannover Messe 2023 vor. Eine Beispielfähre ist bereits in Norwegen in Betrieb.

Die modular gestalteten batterieelektrischen Fähren wurden im Rahmen des EU-Projektes "Transport: Advanced and Modular", kurz TrAM, entwickelt. Laut den Forscherinnen und Forschern sei insbesondere in dem sonst eher für Einzelanfertigungen geprägten Schiffsbau der modulare Aufbau ein Meilenstein. Hierdurch ließen sich Kosten und auch Entwicklungszeit sparen.

Viereinhalb Jahre wurde mit 15 Partnern aus sieben verschiedenen EU-Ländern an dem Konzept gearbeitet. Unter anderem war die Hamburgische Schiffsbau Versuchsanstalt (HSVA) beteiligt. Sie übernahm die Wassertanktests und hydrodynamische Optimierung für die künftige modulare Schiffsklasse.

Ein Ergebnis des Projekts ist nun bereits im Linienverkehr in Norwegen im Einsatz. Die Fähre "MedsTraum" ist 31 Meter lang und 9 Meter breit. Sie ist rund 4 Meter länger als eine konventionelle Fähre dieser Art. Allerdings muss sich das durch den großen Akku erhöhte Gesamtgewicht auch anders verteilen.

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Die Lithium-Ionen-Batterie hat eine Kapazität von 1,5 MWh und lässt sich mit einer Ladeleistung von mehr als 2 MW aufladen – innerhalb von 20 Minuten ist der Ladevorgang in der Regel abgeschlossen.

Um den Rumpf möglichst schmal designen zu können, die Austauschbarkeit zu vereinfachen sowie aus Sicherheitsgründen liegt die Batterie über dem Rumpf des Schiffes auf einer Höhe und seitlich versetzt zum Fahrgastraum. So werden Fahrgäste bei Pannen geschützt und die Batterie kann weniger beschädigt werden, wenn eine Fähre etwa mit einem verloren gegangenen Schiffscontainer im Wasser kollidiert. Die Batterie liegt auf der Heckseite, die Fahrgasträume befinden sich auf der Bugseite.

Während des Betriebs ist die Fähre mit einer Service-Geschwindigkeit von 23 Knoten unterwegs und gilt damit als Hochgeschwindigkeitsfähre. Die schnellste gemessene Geschwindigkeit betrug bislang 27 Knoten.

Der Preis der batterieelektrischen Fähre liegt gegenüber konventionellen Fähren, die mit Diesel fahren, momentan noch bis zu 30 bis 40 Prozent höher, allerdings ist sie dann sparsamer im Betrieb. Die CO₂-Bilanz der Batterie soll zudem bereits nach drei Monaten schon wieder hereingefahren sein.

Die modulare Bau- und Entwicklungsart könnte laut Fraunhofer bei zukünftigen Fährprojekten bis zu 70 Prozent der Entwicklungszeit und bis zu 25 Prozent der Herstellungskosten einsparen.

Beispielhaft konnte auf der Hannover Messe gezeigt werden, wie die Fähren etwa für den Standort London angepasst werden können. Dort sollen die Fähren niedriger sein, wodurch eine flachere "Brücke" aufgesetzt wird. Zwischen den norwegischen Fjorden kann das höhere Brücken-Modul verbaut werden.

Das flachere Brücken-Modul lässt die Brücke optisch fast verschwinden.

(Bild: heise online /kbe)

Das höhere Brücken-Modul zum Vergleich.

(Bild: heise online/ kbe)

Schon im Jahr 2022 erhielt die Medstraum die Auszeichnung "Ship of the Year 2022". Der Name "Medstraum" kann zum einen als mit "Strom" fahren, zum anderen als "mit der Strömung" verstanden werden, erklärte Projektleiter Tobias Seidenberg vom Fraunhofer IEM (Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik) am Messestand.

Für Seidenberg und seine Kolleginnen und Kollegen könnte es mit einem ähnlichen Projekt weitergehen. Momentan lotet das Team aus, ob beispielsweise mit einem Projekt zum Warentransport mittels Binnenschifffahrt an TrAM angeknüpft werden kann.

Die Entwicklung der ganzheitlichen Entwurfsmethodik wurde von Dr.-Ing. Christoph Jürgenhake (IEM) verantwortet. Laut Jürgenhake bringt das Fraunhofer IEM "seine Engineering-Expertise bereits seit Jahren in der Automobilbranche und dem Maschinenbau ein, um individuelle Produkte in kurzer Entwicklungszeit zu realisieren." Das modulare Design für vollelektrische Hochgeschwindigkeitsfähren erhöhe deren Wettbewerbsfähigkeit.

Die Medstraum ist beileibe nicht die erste batterieelektrische Katamaran-Fähre in norwegischen Gewässern. Mit der Ampere gibt es schon seit einigen Jahren eine batterieelektrische Autofähre. Sie wurde von der Werft Fjellstrand und Siemens entwickelt und wird kommendes Jahr 10 Jahre alt.

Seit 2015 pendelt sie über den Sognefjord. Ihre Batterie-Aufladegeschwindigkeit liegt bei etwa 40 bis 50 Minuten. Sie fährt in der Regel eine Strecke, die 20 Minuten Fahrzeit in Anspruch nimmt und kann 120 Kraftfahrzeuge und 350 Passagiere transportieren.

(kbe)