Bitkom: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss sich gesundschrumpfen

Für ARD und ZDF sollte das Motto "High Quality und Relevanz statt Quotenfixierung" gelten, fordert der Digitalverband. Ein Vollprogramm sei nicht mehr nötig.

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(Bild: Jan von nebenan/Shutterstock.com)

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Der Digitalverband Bitkom mahnt eine "umfassende Strukturreform auf allen Ebenen" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖR) an. Eine solche erscheine angesichts des zunehmenden Zusammenwachsens von Fernsehen, Radio und Internet angesichts der Digitalisierung und des sich weiterhin rasant änderndem Mediennutzungsverhalten "nicht nur notwendig, sondern nachgerade überfällig".

In einem jetzt veröffentlichten Diskussionspapier macht die IT-Lobby daher weitgehende Vorschläge, wie ARD, ZDF und Deutschlandradio neu aufgestellt werden sollten. "Nur eine Fokussierung auf gesellschaftlich relevante Programminhalte kann die Bedeutung des ÖR nachhaltig stärken", heißt es darin. Das Motto müsse lauten "High Quality und Relevanz statt Quotenfixierung". Nötig sei eine Konzentration "auf die Kernfunktionen Bildung, Information, Kultur und Unterhaltung".

Gesellschaftlich bedeutsame Themen könnten nicht dauerhaft "durch Skandalisierung und übermäßige Zuspitzung erzeugt werden", führt der Bitkom aus. "Ausgewogene, objektive, erläuternde und durchaus auch anspruchsvolle Berichterstattung muss im Vordergrund stehen". Die gerade von den Öffentlich-Rechtlichen einzufordernde "Watchdog"-Aufgabe bestehe auch mit Blick auf Art, Inhalte und Foren der Diskussion und solche Angebote, "die diese abbilden oder sogar verstärken": Die Fragmentierung der Kanäle für individuelle und öffentliche Meinungsbildung erfordere adäquate Angebote, die auch auf das weite Feld der sozialen Medien angepasst seien.

Perspektivisch sollte der ÖR spätestens von 2025 erheblich stärker im Umfeld der Internet-bezogenen und -basierten Angebote und Inhalte verortet werden, ist dem Papier zu entnehmen. Dort gelte das Argument aus dem klassischen zeitgebundenen TV-Bereich für die Rechtfertigung eines Vollprogramms nicht mehr, wonach "über massenattraktive, leichtgängigere Inhalte" aus dem Unterhaltungssektor Aufmerksamkeit auch für anspruchsvollere Sendungen generiert werden müsse.

Das vollständige Werbeverbot im nicht-linearen Bereich wie bei Video-on-Demand und Streaming-Angeboten aus Mediatheken sollte überdacht werden, meint der Bitkom. Er bezieht sich dabei aber nur auf Inhalte des ÖR, die über Drittplattformen verbreitet werden. Hier sollten daraus erzielbare Einnahmen an ARD & Co. fließen können, um deren Finanzbedarf zu senken.

Gar nichts hält der Verband von dem Appell der Öffentlich-Rechtlichen und den Überlegungen der Bundesländer, die Rundfunkgebühren regelmäßig um einen gewissen Betrag zu erhöhen und so langfristige Debatten über das Budget zu umschiffen: Dieses sogenannte Indexmodell "würde die notwendige Transformation konterkarieren und zu einer Erstarrung führen".

Den Geboten von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie bedarfsgerechter Finanzierung wäre damit laut dem Bitkom genauso wenig zu entsprechen wie dem Verbot übermäßiger Finanzausstattung und einer unverhältnismäßigen Belastung der Beitragszahler. Zumindest teils sollten die gesellschaftlich wertvollen Inhalte die Basis für die Gebührenermittlung darstellen. Die im vergangenen Jahr geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags platzte, nachdem sich Sachsen-Anhalt quergelegt hatte. Die Öffentlich-Rechtlichen zogen daher vors Bundesverfassungsgericht.

Regionale Aufgaben sollten von überregionalen klar getrennt und die Anzahl der Rundfunkanstalten verringert werden, rät der Verband. Damit könne der ÖR effizienter werden. Entsprechende Einsparpotenziale gebe es auch bei den Tochter- und Enkelunternehmen der Anstalten. Ziel sollte es sein, eine einheitliche technische Produktions- und Distributionsplattform einzurichten und zentral zu steuern.

"Ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist unverzichtbar für eine funktionierende Demokratie in Deutschland", betonte Bitkom-Präsident Achim Berg. Um einem in vielen europäischen Staaten zu spürenden enormen Rechtfertigungsdruck standzuhalten, müssten sich die Anstalten aber weiterentwickeln, "um auch in Zukunft innovativ und relevant zu sein".

Die MDR-Intendantin Karola Wille hob jüngst die Rolle der Öffentlich-Rechtlichen gerade "im großen Meer der Internetinformationen" hervor, in dem Orientierung nottue. Ersetze die algorithmenbasierte Inhaltsauswahl von Google, Facebook, Netflix, Amazon & Co. die journalistische, "verstärkt dies die gesellschaftlichen Trends der Polarisierung, Fragmentierung und Radikalisierung".

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