Blinde fordern Nachbesserungen beim EU-Urheberrecht

Die Europäische Blindenunion setzt sich dafür ein, die freiwillige Ausnahmeklausel in der EU-Urheberrechtsrichtlinie für Behinderte vom Umgehungsverbot für Kopierschutztechniken verbindlich zu machen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die Europäische Blindenunion (EBU) pocht auf eine Korrektur der umstrittenen EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2001. Die Interessensvertretung will sich im Rahmen der Konsultation über das von der EU-Kommission vorgelegte Grünbuch zum Urheberrecht in der Wissensgesellschaft vor allem dafür einsetzen, die Ausnahmeklausel in der EU-Urheberrechtsrichtlinie für Behinderte vom Umgehungsverbot für Kopierschutztechniken und Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) verbindlich zu machen. Dies berichtet der Fachdienst "Intellectual Property Watch".

Bisher müssen die EU-Mitgliedsstaaten die Schrankenregelung zugunsten von Menschen mit Behinderungen nicht zwangsweise in nationales Recht umsetzen. Die Bundesregierung hatte sich dennoch bereits im umkämpften 1. Korb der Urheberrechtsnovelle hierzulande dafür entschieden, von der Option Gebrauch zu machen. Behinderte beziehungsweise für sie agierende Verbände dürfen demnach auch mit DRM geschützte Werke in andere Wahrnehmungsformen wie MP3-Dateien umwandeln. Das Privileg umfasst konkret etwa für Blinde das Recht, einen Roman auf einen Tonträger aufzunehmen. Ein "Selbsthilferecht" der Verbraucher, die private Kopien anfertigen wollen, hat der deutsche Gesetzgeber dagegen ausgeschlossen. Auch hier sieht die EU nur eine freiwillige Ausnahmeregelung vor.

Laut Rodolfo Cattani, Sprecher der Italienischen Blindenunion, erschwert der DRM-Einsatz bei E-Books immer wieder eine einfache Umwandlung der Inhalte in leichter konsumierbare Formate für Behinderte. Die Umsetzung der Schrankenregel sollte daher verbindlich von Brüssel vorgeschrieben werden. Cattani erinnerte zudem an ein neues UN-Übereinkommen. Demnach müssten Regierungen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Menschen mit Behinderungen den Genuss kultureller Werke zu erlauben. Es sei ein fundamentales Prinzip, dass das Recht auf Zugang über das Copyright siege. Auch auf Ebene der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) gibt es derweil Bestrebungen, einen internationalen Vertrag mit Sondergenehmigungen für Behinderte zu schaffen.

Die Vereinigung europäischer Verleger fürchtet dagegen, dass die Stärkung der Schrankenbestimmung "ein falsches Signal" aussenden würde. Die Ausnahme werde bereits in allen Mitgliedsstaaten beachtet. Wichtiger als ihre Festschreibung sei es, den Mangel an auch für Behinderte zugänglichen Inhalten zu beheben. Diesen sieht sie teils in der Organisation von Behindertenvertretungen begründet. Nur in Ländern, in denen es etwa zentrale Einrichtungen für Blinde gebe, zirkuliere das entsprechend aufbereitete Material ausreichend in anerkannten Netzwerken. Die Kommission sollte daher notfalls Institute einrichten, die für die nationale Verbreitung der adaptierten Inhalte sorge.

Auch das European Bureau of Library Information and Documentary Associations (EBLIDA) will sich für Nachbesserungen an der Copyright-Direktive stark machen. Bisher sei die von Brüssel beabsichtige "Harmonisierung" nur teils gelungen, da auch Schrankenregelungen für Bibliotheken größtenteils freiwillig umzusetzen seien. Dies habe zu einer schwierigen und komplexen Situation geführt. EU-weit sei kaum verständlich, welche Vervielfältigungsrechte es im öffentlichen Interesse gebe. Bereits im Juni sprach sich die Bibliotheksvereinigung in Briefen (PDF-Datei) nach Brüssel gegen das Vorhaben der EU-Kommission aus, den Urheberrechtsschutz für Musikaufnahmen von 50 auf 95 Jahre auszudehnen. (Stefan Krempl) / (jk)