Bundesnetzagentur: Lieber Mobilfunkausbau als Frequenzmilliarden

Die Bundesnetzagentur will keine neue Frequenzauktion für den Mobilfunk. Stattdessen sollen Lizenzen verlängert werden – nicht zur Begeisterung aller.​

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(Bild: Jan Hrezik / Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Falk Steiner
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Statt die Ende 2025 auslaufenden Lizenzen für Frequenzblöcke im 800 Megahertz-, 1,8 GHz- und 2,6 GHz-Band unter den Anbietern zu versteigern, plant die Bundesnetzagentur vorerst kein neues Vergabeverfahren. Stattdessen sollten die Lizenzen für die Nutzung für voraussichtlich fünf Jahre verlängert werden, erklärt die Regulierungsbehörde zu einer am Mittwoch begonnen Konsultation zum weiteren Verfahren. Im Jahr 2028 dann soll entschieden werden, wie mit diesen Frequenzen und anderen, 2033 auslaufenden Lizenzen für Funkspektrum im 700 und 900 MHz-Band, und weiteren Blöcken im 1,5 und 1,8 GHz-Band umgegangen wird.

Im Interview mit heise online hatte Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller im Juli bereits klargestellt: Die Bundesnetzagentur werde "nicht Wert darauf legen, möglichst hohe Einnahmen für die Staatskasse zu erzielen." Diese für den Finanzminister schlechte Nachricht ist zugleich eine gute für die drei etablierten Anbieter. Denn nachdem mit der Übernahme von E-Plus durch die Telefonica 2014 nur noch drei Mobilfunknetzbetreiber am Markt sind, versucht mit 1&1 derzeit ein vierter Anbieter Fuß zu fassen – mit allerlei Schwierigkeiten. Bis zum 4. November haben die Akteure nun Zeit, Stellung zu nehmen.

Mit dem neuen Vorschlag reagiert die Bundesnetzagentur auch darauf, dass durch zwei der drei Mobilfunknetzbetreiber die Idee eines Frequenztausches abgelehnt wurde: Die Bundesnetzagentur hatte im vergangenen Jahr vorgeschlagen, dass die Lizenzen bei 800 MHz bis 2033 verlängert würden, dafür die Vergabe der Blöcke im 900-MHz-Band auf 2025 vorgezogen würde. Das scheint mit dem neuen Vorschlag jetzt vom Tisch.

Stattdessen möchte die Bundesnetzagentur an anderen Stellen die Daumenschrauben anziehen. Derzeit wartet die Regulierungsbehörde noch auf Gutachten über die Wettbewerbsverhältnisse. Welche Werkzeuge ihr zur Verfügung stehen könnten, skizziert sie bereits jetzt: Beim Umgang der Netzbetreiber mit Diensteanbietern, also Anbietern, die über keine eigenen Netze verfügen, ziehe der Regulierer die "Auferlegung einer Regelung wie beim bestehenden Verhandlungsgebot bis hin zur Auferlegung einer Angebotspflicht" in Betracht. Auch 5G-Netze sollten den Diensteanbietern ermöglicht werden – diese würden langsam ihre Innovationsqualität einbüßen.

Zudem soll künftig ein Diskriminierungsverbot kommen: Vorleistungen der Netzbetreiber für Dienstanbieter müssten zu objektiven und nachvollziehbar nachfragegerechten Konditionen angeboten werden. Für Mischunternehmen, die in Teilen auch eigene Netzinfrastruktur betreiben – gemeint ist hier offenkundig vor allem 1&1 – würde das grundsätzlich ebenfalls gelten. Der Bundesverband Breitbandkommunikation begrüßte das Vorhaben ausdrücklich: "Um den Wettbewerb im Mobilfunk nachhaltig zu stärken und die Angebotsvielfalt zu vergrößern, ist eine Angebotspflicht – sog. Diensteanbieterverpflichtung – zwingend notwendig", so Stephan Albers, Geschäftsführer des BREKO. "Das aktuell bestehende Verhandlungsgebot hat sich als völlig wirkungslos erwiesen, wie die Dominanz der drei etablierten Netzbetreiber im 5G-Markt belegt."

Für den vierten Mobilfunknetzbetreiber 1&1 besonders wichtig dürfte allerdings werden, was die Bundesnetzagentur bei der geplanten Frequenzverlängerung an Auflagen für das sogenannte Nationale Roaming andenkt: Würden die Frequenzen tatsächlich erst zu 2033 neu ausgeschrieben, würde 1&1 bis dahin keine neuen Frequenzblöcke hinzubekommen können. Vor allem für die Mobilfunkversorgung in Gebäuden, für die niedrigere Frequenzen besser geeignet sind, besteht damit ein Problem – denn 1&1 kann vorerst keine Lizenzen für Frequenzen unterhalb 1 Gigahertz erwerben. 1&1 hatte 2019 zwei 20 Megahertz-Blöcke im 2 Gigahertz und 70 Megahertz im 3,6 GHz-Band für gut eine Milliarde Euro erworben – zu wenig für einen auch nur annähernd flächendeckenden Betrieb, auch wenn 1&1 zwei weitere Blöcke im 2,6 GHz-Bereich von Telefonica hinzugemietet hat. Nachdem der Aufbau des eigenen Netzes auch an anderen Faktoren bislang gescheitert war, gab 1&1 Anfang August bekannt, dass mit Vodafone eine Roaming-Vereinbarung geschlossen sei. Am 26. September soll das eigene Netz nun an den Start gehen. Mit der Übergangsentscheidung der Bundesnetzagentur könnte bis 2033 ein Verhandlungsgebot festgeschrieben werden – vorbehaltlich der Ergebnisse des erwarteten Wettbewerbsgutachtens.

Auch an anderer Stelle will die Bonner Regulierungsbehörde die Verlängerung an Bedingungen knüpfen: Entlang der Verkehrswege soll ergänzend zu den jetzigen Vorgaben vorgeschrieben werden, dass jeder Anbieter dort die Versorgung sicherstellen muss. Und das zu Beginn des Jahres 2029, ohne zusätzliche Förderung. Ausdrücklich betont wird allerdings die Möglichkeit der Kooperation der Anbieter. Auch entlang von Bahnstrecken will der Regulierer nachschärfen: hier sollen die Anbieter direkt mit der Bahn zusammenarbeiten müssen. Damit würden sie auch zum Aufbau des Nachfolgers für das im vergangenen Jahr allgemein bekannt gewordene GSM-R-Bahnfunknetz beitragen: Das sogenannte Future Railway Mobile Communications System (FRMCS), das auch auf 5G-Technologie aufsetzt, soll bis 2035 aufgebaut werden.

Zudem soll nach dem Willen der Bundesnetzagentur bis Anfang 2029 mindestens 98 Prozent der Haushalte in extrem gering besiedelten Gebieten (mit weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer) ein Minimum von 100 Megabit pro Sekunde im Downlink für 98 Prozent der Bevölkerung erreicht werden. Und das in jedem Bundesland, denn die Anbieter sind heute im Durchschnitt zwar nicht weit von dieser Zielmarke entfernt – aber die Auflage betrifft gut ein Zehntel der Bevölkerung – und die Hälfte der mit weniger als 100 Mbit/s versorgten Haushalte, so die Bundesnetzagentur. Zudem erwartete die BNetzA dadurch eine Erhöhung der Kapazitäten. Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten VATM sieht allerdings ein Problem: Dadurch, dass Anbieter nicht mehr ihre Versorgungsauflagen untereinander aufrechnen dürften, könnte der Plan der Bundesnetzagentur "zu einer ganz erheblichen Mehrbelastung der Unternehmen und dem Aufbau weiterer Sendeeinrichtungen führen", so der Verband in einem Statement.

Bereits in der Vergangenheit hatten sich die meisten Mobilfunkanbieter gegen eine erneute Bieterschlacht ausgesprochen. Der Telefonica-CEO Markus Haas erklärte in Reaktion auf die nun vorgestellten Pläne der Bundesnetzagentur, diese seien eine gute Nachricht: "Der in Aussicht gestellte Verzicht auf eine Frequenzauktion ebnet allen Menschen den schnellen Weg zu 5G im ganzen Land." Es komme auf die Details der Pläne an, hieß es von Seiten der Deutschen Telekom. Der eingeschlagene Weg sei jedoch der richtige.

Auch der SPD-Digitalpolitiker Johannes Schätzl lobte die Pläne der BNetzA: Der Vorschlag verknüpfe "konsequent die Verlängerung mit einer Versorgungsauflage, was gerade für dünn besiedelte Gebiete enorm wichtig ist." Die Verlängerung der Nutzungsrechte an Bedingungen zugunsten des Wettbewerbs zu knüpfen, sei ebenfalls der richtige Weg. Für die Grünen im Bundestag begrüßten Tabea Rößner und Maik Außendorf die Entscheidung: "Die Versorgungsauflagen an Schienen- und Straßenwegen, die Diensteanbieterverpflichtung und National Roaming sorgen für besseren Mobilfunkempfang in Stadt und Land und machen den Ausbau nachhaltiger und schneller."

(mki)