Bundesregierung äußert sich zurückhaltend zu Verbot von Killerspielen

Mit dem bestehenden dreistufigen System zum Jugendmedienschutz misst die Bundesregierung ihrer Ansicht nach dem Schutz von Heranwachsenden vor gefährdenden Medieninhalten bereits allerhöchste Priorität zu.

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Mit dem bestehenden dreistufigen System zum Jugendmedienschutz misst die Bundesregierung ihrer Ansicht nach dem Schutz von Heranwachsenden vor gefährdenden Medieninhalten bereits "allerhöchste Priorität" zu. Dies erklärte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Hermann Kues, in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag. Die Grünen wollten die Haltung der Bundesregierung zu einem Verbot von so genannten Killerspielen erfahren. Die 2003 in Kraft getretenen neuen Regelungen würden "dem jeweiligen Gefährdungsgrad der Inhalte" von Video- und Computerspielen entsprechen "und vor allem dem Schutz von Kindern und Jugendlichen, aber auch dem Recht auf freie Meinungsbildung und -äußerung Rechnung" tragen.
Heranwachsende hätten "einen Anspruch auf einen effektiven Jugendmedienschutz", schreibt der CDU-Politiker. Denn nur so könne es gelingen, ihre Entwicklung zu fördern "und sie zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu erziehen". Vor einem gemäß dem Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot zu erörternden "Verbot von Killerspielen" sei zunächst die in der Vereinbarung ebenfalls festgeschriebene Evaluation der noch jungen neuen Schutzregelungen abzuwarten, die 2007 abgeschlossen werde. Dann würden Grundlagen für genaue Befunde zur Wirksamkeit von Computerspielen und daraus abzuleitende Konsequenzen vorliegen.
Das Familien- und Jugendministerium hatte im Sommer bereits erklärt, keine Notwendigkeit für gesetzliche Verschärfungen in Richtung eines Verbots von "Killerspielen" zu sehen. Nach dem Amoklauf in Emsdetten hatte ein Regierungssprecher dagegen erklärt, dass man "hart durchgreifen" wolle. Kues hält nun wiederum fest, dass zum einen gemäß Paragraph 131 Strafgesetzbuch (StGB) "die Produktion und der Vertrieb von gewaltverherrlichenden Computerspielen" bereits verboten sind.
Als zweite Schutzstufe sei die Indizierung jugendgefährdender, aber nicht generell verbotener Computerspiele durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) nach dem Jugendschutzgesetz (JuSCHG) vorhanden, schreibt Kues weiter. Aber auch ohne Indizierung durch die BPjM seien Trägermedien wie zum Bücher, Videos, CDs, CD-ROMs oder DVDs, "die den Krieg verherrlichen, Menschen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung zeigen, mit weit reichenden Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverboten" belegt. Sie dürften also nicht mehr vermarktet und nur noch in gesonderten Geschäften beziehungsweise "unter dem Ladentisch" an Erwachsene verkauft werden. Zuwiderhandlungen gegen Indizierungsvorschriften würden als Straftaten geahndet.
Die dritte Schutzstufe regelt laut dem Staatssekretär Altersfreigabekennzeichnungen ebenfalls nach dem JuSCHG zum Schutz vor Jugendbeeinträchtigung. Demnach dürften nur noch Computerspiele mit einer Altersfreigabekennzeichnung unbeschränkt in den Handel gegeben. Die Alterskennzeichnung der obersten Landesjugendbehörden (OLJB) erfolge in Kooperation mit der Wirtschaft durch die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK). Die Abgabe dieser Spiele dürfe nur entsprechend der Alterskennzeichnung erfolgen. Mit dem Vorsitzenden der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), Wolf-Dieter Ring, hatte zuvor bereits ein direkt ins System eingebundener Experte eine Lanze für das hiesige "einzigartig strenge und scharfe" Jugendschutzsystem gebrochen und die Frage aufgeworfen, inwieweit sich die hohen Standards europaweit etwa im Rahmen der Novelle der EU-Fernsehrichtlinie aufrechterhalten lassen würde. Landespolitiker aus Bayern und Niedersachsen fordern dagegen ein schnellstmögliches Verbot von "Killerspielen".
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