Bundesregierung einigt sich auf Gesetz gegen Abmahnabzocke

Das Kabinett hat nach einigem Hin und Her einen Gesetzentwurf gegen "unseriöse Geschäftspraktiken" beschlossen, der vor allem das Abmahnunwesen einschränken und Anwaltskosten begrenzen will.

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Das Bundeskabinett hat nach einigem Hin und Her am Mittwoch einen Gesetzentwurf gegen "unseriöse Geschäftspraktiken" beschlossen, der vor allem das Abmahnunwesen einschränken will. Im Einklang mit dem Vorstoß des Justizministerium soll der Streitwert bei ersten Abmahnungen wegen einfacher Urheberrechtsverletzungen pauschal auf 1000 Euro gesenkt werden. Die dafür zu erhebenden Anwaltskosten sollen laut Papier 155,30 Euro betragen. Anfangs wollte das Justizressort den Streitwert auf 500 Euro begrenzen und die Abmahngebühren so noch weiter drücken. Dagegen waren Verbände der Unterhaltungsindustrie sowie CDU-Politiker Sturm gelaufen.

Umstritten waren lange die Ausnahmeregeln für eine solche Deckelung. Die Gesetzesbegründung erläutert nun, dass von "besonderen Umständen des Einzelfalles" abhängig gemacht werden dürfe, ob die Bestimmung greift. Das wäre etwa eine "in relevantem Ausmaß vom üblichen Maß abweichende Anzahl oder Schwere der Rechtsverletzung".

Letztlich dürften angesichts dieser recht unbestimmten Ausführung erst wieder die Gerichte entscheiden, ob und wann diese Hürde überschritten wird. Die Regierung selbst geht davon aus, dass der Streitwert in Höhe von 1000 Euro "in den allermeisten Fällen von Privatpersonen im digitalen oder analogen Umfeld begangenen Urheberrechtsverletzungen angemessen ist". Damit solle aber keine Aussage "über den unbestrittenen Unwert von Urheberrechtsverletzungen an sich getroffen" werden.

Wer unberechtigt abgemahnt wird, soll künftig zudem einen Gegenanspruch auf Ersatz seiner Rechtsverteidigungskosten erhalten. Das Kabinett möchte so "Waffengleichheit zwischen Rechtsinhaber und vermeintlichem Rechtsverletzer" schaffen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach insgesamt von einem "großen Schritt, um Kleingewerbetreibende und Verbraucher in ihren Rechten zu stärken". Der Vorstoß sei auch im Interesse der Wirtschaft, da bislang "wenige schwarze Schafe dem Ruf ganzer Branchen schaden".

Günter Krings, Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, begrüßte den Ansatz gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Kretschmer ausdrücklich. Die beiden Christdemokraten bezeichneten das geplante Limit für Anwaltskosten als "Fortentwicklung der bestehenden Abmahndeckelung" im Gesetz zur zivilrechtlichen Urheberrechtsdurchsetzung, mit der Familien vor überzogenen Belastungen geschützt werden sollten. So bleibe es weiter möglich, "gegen schweres Raubkopieren" vorzugehen. Abmahnungen blieben an sich ein "legitimes Instrument".

Der Bundesverband Musikindustrie hatte im Vorfeld darauf verwiesen, dass die Zahl der in Deutschland versandten Abmahnungen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sei. 2012 seien 22.000 solche Anwaltsschreiben verschickt worden, während es im Vorjahr noch rund 60.000 gewesen seien. Diese Zahlen habe man aktuell bei den größten Musikfirmen hierzulande erheben lassen. Das Vorhaben sei daher in diesem Hinblick "nicht länger haltbar". Die geplanten Neuregelungen würden die seriöse zivilrechtliche Verfolgung von Copyright-Sündern nahezu unmöglich machen.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hält die geplanten Maßnahmen dagegen für "lückenhaft". Die Vorschläge zum Eindämmen unseriöser Inkassopraktiken gingen zwar zumindest in die richtige Richtung. Die Initiative gegen unseriöse Massenabmahnungen stelle aber eine "Verschlechterung gegenüber dem Status quo" dar. Sie sorge nicht für mehr Rechtssicherheit, sondern werde weiterhin die Gerichte zu Klarstellungen herausfordern. Die Grünen ihrerseits haben bereits einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, mit dem sie schärfer als die Regierung gegen Abmahnmissbrauch vorgehen wollen. (mho)