Bundestagsanhörung: "E-Sportler sehen sich als Athleten"

Seite 2: Knackpunkt: Ego-Shooter

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"Wir sehen uns als Anwalt für Sport und Bewegung", betonte Rücker. Deswegen sei es auch unnötig, für E-Sport-Aktivitäten in klassischen Sportvereinen eigene Strukturen einzuräumen. Beispielsweise Segelvereine könnten eine Segel-Simulation in das übliche Trainingsprogramm integrieren statt eigenständige E-Sport-Teams oder gar -Vereine zu schaffen. Gleichzeitig lehnte Rücker ab, dem E-Sport eine gleichberechtigte Stellung neben dem Sport einzuräumen: Dadurch verlören die ehrenamtlich organisierten Sportvereine ein Alleinstellungsmerkmal.

Die Anerkennung des E-Sports scheitere nicht nur an mangelnder körperlicher Aktivität, sondern sei Ergebnis einer vielschichtigen Analyse. Rücker betonte die Abhängigkeit des E-Sports von Herstellern, die sich eine immer größere Rolle in Ligen und Wettkämpfen aneignen und mittlerweile auch direkt im Sponsorengeschäft tätig sind. Auch seien insbesondere Ego-Shooter mit den ethischen Grundlagen des Sports nicht zu vereinbaren.

Jagnow hingegen wollte diese Deutung nicht zulassen. Auf mehrfacher Nachfrage von Abgeordneten verwies er darauf, dass eine Trennung zwischen E-Sport-Titeln nicht praktikabel sei und von den drei Millionen bis vier Millionen Fans des E-Sports strikt abgelehnt werde. Zudem solle man sich nicht auf das virtuelle Geschehen auf dem Bildschirm konzentrieren – stattdessen sei entscheidend, wie die Werte von Fairness und Kooperation vor dem Bildschirm gelebt würden. Hier entspreche das ethische Grundgerüst des E-Sports ganz dem Leitbild des organisierten Sports. Dort etablierte Sportarten wie Boxen seien ungleich gewalttätiger als jeder E-Sport. Auch beim Fechten werde die Tötung eines Menschen simuliert. Dass der DOSB hingegen Fifa als Sportsimulation einstufe, sei nach objektiven Kriterien kaum nachvollziehbar, da die Spielweise viel näher an einem Titel wie League Of Legends erinnere.

Der E-Sport-Vertreter verwies auf die Dringlichkeit der Frage der Gemeinnützigkeit. Beim Verband seien schon zahlreiche Anfragen von Sportvereinen eingegangen, die sich neben klassischen Sportarten auch mit E-Sport beschäftigen wollen. Doch ein solches Engagement kann nach der Interpretation einiger Finanzämter zum Verlust der Gemeinnützigkeit und damit der Steuerbefreiung führen. Hier will der DOSB seinen Mitgliedsverbänden mit einem eigenen Gutachten zu Hilfe kommen, das allerdings noch in Arbeit ist.

Eine Anerkennung von E-Sport-Vereinen aufgrund einer Festlegung auf Kinder- und Jugendarbeit wie beim Verein Leipzig eSports sei keine Lösung auf Dauer und für jedes Team, erklärte Jagnow, da der E-Sport mittlerweile nicht mehr nur eine Beschäftigung von Jugendlichen sei, sondern bei manchen Vereinen der Altersdurchschnitt weit im Erwachsenenalter liege.

Die Abgeordneten stehen besonders durch die Festlegungen des Koalitionsvertrags zwischen SPD und CDU unter Druck, der die vollständige Anerkennung des E-Sports "als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht" vorsieht. Diese Festlegung hatte nicht nur die Sportverbände verstimmt, sondern stellte auch die Fachpolitiker vor vollendete Tatsachen, wie etwa der CDU-Abgeordnete Frank Steffel betonte: "Wir alle waren an diesem Teil des Koalitionsvertrags nicht beteiligt."

Dennoch zeigten sich die Vertreter von Union, SPD, Grünen und Linken grundsätzlich aufgeschlossen für die Frage, den E-Sport auf die eine oder andere Weise mit klassischen Sportverbänden gleichzustellen, fordern aber Anstrengungen bei Suchprävention und der Förderung von Frauen. Allein die Vertreter der AfD signalisierten eine strikte Ablehnung. Deren Obmann Jörn König erklärte: "Sie sind ein Unternehmerverband einer neuen, sehr erfolgreichen Wirtschaftsbranche" – eine steuerliche Förderung oder Vergünstigungen seien deshalb abzulehnen. Hierauf betonte Ralf Reichert, Gründer des Ligen-Veranstalters ESL, dass für die kommerziellen Aktivitäten im E-Sport-Bereich gar keine Gemeinnützigkeit angestrebt werde.

Wie deutsche Fußball-Bundesligisten in die lukrative Zusammenarbeit mit E-Sport-Firmen einsteigen ist Thema des Artikels:

(anw)