Betriebssystem VSE: Der große Unbekannte im Mainframe

Seite 3: Die Zukunft: VSE nach der Auslagerung

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Im Juni 2021 wurde die Auslagerung der VSE-Entwicklung an die US-Firma 21st Century Software bekannt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Und mit der Ankündigung der neuen Version VSEn V6.3 für die aktuellen z16-Mainframes haben die neuen Entwickler ja schon das erste Ergebnis ihrer Arbeit vorgestellt. Wie zufrieden sind Sie damit – und was würden Sie sich als Anbieter im VSE-Markt wünschen?

Hans-Dieter Lattwein: Anfangs war eine gewisse Aufregung in den VSE-Foren wie VSE-L zu beobachten. Offensichtlich wurde die „Auslagerung“ anfangs nicht optimal kommuniziert. Noch ist es zu früh, dazu konkret Stellung zu beziehen – diese Frage müssten eigentlich die VSE-Anwender beantworten.

Heinz Peter Maaßen: Grundsätzlich sagen wir dazu, dass natürlich die angebotene Weiterentwicklungsperspektive nur positiv bewertet werden kann.

Hans-Dieter Lattwein: Unser Wunsch ist, dass die gesamte Entwicklung zum bisherigen System kompatibel bleibt – und dass wir als unabhängiger Softwarehersteller weiterhin die VSEn-Software (wie seit 2005 von IBM gewohnt) kostenlos für unsere Entwicklungen und Anpassungen zur Verfügung gestellt bekommen.

Wie einfach oder schwierig ist es, von älteren auf aktuelle VSE-Versionen zu wechseln?

Heinz Peter Maaßen: Firmen, die von älteren VSE-Versionen auf die aktuelle Version wechseln, haben in der Regel keine Probleme. Die Programme sind aufwärts kompatibel und im JCL-Bereich gibt es eigentlich nur Verbesserungen – die, wenn nicht genutzt – erst einmal nicht implementiert werden müssen. Lediglich im Bereich Transaktionsverarbeitung gab es bis zum z/VSE 4.2 ein sogenanntes Macro-Level-API. Der Abschied davon bedeutet, dass Programme auf das Command-Level-API neu umgesetzt werden mussten; dieser Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Das betrifft aber genauso Programme im z/OS-Bereich.

Für Kunden, die regelmäßig auf das aktuelle z/VSE wechseln, bedeutet ein Release-Wechsel kaum Aufwand, da per Fast-Service-Upgrade – kurz FSU – die bisherigen Einstellungen auf die neue VSE-Umgebung automatisch angepasst werden.

Wie groß schätzen Sie den Bedarf für Anwendungsmodernisierung im VSE-Umfeld ein?

Hans-Dieter Lattwein: Unsere Erfahrung ist, dass die zufriedenen VSE-Anwender diejenigen Kunden sind, die kontinuierlich ihren Modernisierungsbedarf umgesetzt haben – und neuere Entwicklungen ganz selbstverständlich plattformübergreifend mit einer zeitgemäßen Oberfläche ausstatten. Dann staut sich erst gar nichts auf.

Lattwein entwickelt seit Firmengründung mit CPG Tools zur Anwendungsentwicklung für z/VSE- und z/OS-Mainframes. Wie unterstützen Sie Ihre Kunden bei der Anwendungsmodernisierung?

Hans-Dieter Lattwein: Weitestgehend mit Werkzeugen, die CPG heute ergänzen. Das hat in den 1990er Jahren angefangen mit einem HTML-Editor, den ein Mainframe-Spezialist einfach für die Oberflächengestaltung nutzen konnte, um die Logik dahinter in der gewohnten Sprache zu codieren.

Bis heute gehen unsere Entwicklungen immer weiter dahin, eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, die der Entwickler nicht verstehen muss, sondern möglichst einfach bedienen kann. Bei Bedarf gehen wir natürlich mit der Entwicklung einer Musteranwendung darüber hinaus.