Cebit

"Die dürren Jahre sind vorbei"

Sony lässt die Roboter tanzen und Axel Zwingenberger spielt Boogie: Gute Stimmung war angesagt zur CeBIT-Eröffnungsveranstaltung.

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Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Regierungsmannschaft haben es sich zur Aufgabe gemacht, Deutschland "verstärkt auf den Weg in die Informationsgesellschaft" zu führen. Das sagte der Kanzler heute in seiner Rede zur Eröffnungsveranstaltung der CeBIT, die von erhöhten Sicherheitsmaßnahmen begleitet wurde. Die Redner sprachen den Anwesenden aus Spanien ihr Mitgefühl für die Opfer und Hinterbliebenen der Terroranschläge von Madrid aus. Dennoch war eine positive Grundstimmung angesagt: Nicht etwa ein Streichquartett, sondern passend zum allenthalben verbreiteten Optimismus spielte das Axel-Zwingenberger-Trio Boogie. Nicht zu Boogie, sondern zu gemäßigten Technobeats ließ Sony zwei Qrios aufeinander abgestimmt tanzen. Außerdem kündigten sie die Rede des Sony-Präsidenten Kunitake Ando an: "It's showtime."

Ando, der passend dazu als Unterhaltungselektronik-Chef eingeladen worden war, betonte die große Bedeutung der drahtlosen Kommunikation und sieht Europa als Vorreiter. Weiter seien offene Standards wichtig, um die digitale Wirtschaft voranzubringen. Ando sieht 2004 als Anfang einer neuen Ära in der Telekommunikation sowie der Unterhaltungsindustrie. Informationstechnologie, mobile Telekommunikation und Unterhaltungselektronik verbinden sich zunehmend über Breitbandvernetzung. Der gesamte Markt expandiere.

Schröder gab dann den "Genossen der (IT-)Bosse". In Kürze wolle die Bundesregierung eine Initiative beschließen, die einen einheitlichen Standard für die digitale Unterschrift regelt, kündigte Schröder an. Ziel sei es, bis Ende nächsten Jahres die Voraussetzungen zu schaffen, dass Rechts- und Geschäftsverkehr flächendeckend mit der digitalen Unterschrift abgewickelt werden könnten. Die Bundesregierung werde demnächst eine E-Card-Initiative beschließen, um einheitliche Standards zu schaffen. Die elektronische Gesundheitskarte soll bis 2006 eingeführt werden. Die Krankenkassen hatten vor kurzem Befürchtungen geäußert, die Gesundheitskarte könne sich verspäten.

Die Gesellschaft werde immer älter, meinte Schröder vor dem Hintergrund der Reformpolitik seiner Regierung. Es dürfe nicht sein, dass Menschen über 50 aus dem Produktionsprozess ausgeschlossen werden. Länder in Europa, die keine Reformen anstrebten, würden wirtschaftliche Probleme bekommen. Frühkindliche und die Förderung der Familie gehörten zur Innovationspolitik. Ganztagsschulen könnten besser fördern und seien auch für die Gleichberechtigung der Geschlechter wichtig. An den Hochschulen müsse es mehr finanziellen, inhaltlichen und personellen Wettbewerb geben, sagte Schröder zu Modernisierungsvorhaben. Zur Lkw-Maut sagte Schröder: "Wir erwarten, dass die deutsche Industrie hier nicht nur ein Gesellen-, sondern ein Meisterstück abliefert."

Zuvor betonte der erste Redner, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulf, die CeBIT bleibe eine Messe der Superlative. Ihn freue die zunehmende Zahl an Ausstellern aus Wachstumsmärkten wie Südostasien. Die CeBIT stelle einen entscheidenden Seismographen für eine Schlüsselbranche der Weltwirtschaft dar, die vor einem Aufschwung stehe. "Die Fliege, die sich auf die Fliegenklatsche setzt, ist am besten davor gefeit, von der Fliegenklatsche erschlagen zu werden", zitierte Wulf Georg Christoph Lichtenberg: Es sei wichtig, zu den ersten zu gehören und sich auf der CeBIT zu präsentieren, um nicht von der Konkurrenz überrollt zu werden.

Bitkom-Präsident Willi Berchtold stieß darauf ins gleiche Horn und meinte, wer nicht dabei sei, verpasse sein Geschäft. Die Informationstechnologie sei das Nervenzentrum innovativer Branchen. Er lobte Großprojekte wie BundOnline oder auch das Lkw-Maut-Projekt -- trotz aller Probleme. Von der CeBIT werde die Botschaft ausgehen, die dürren Jahre seien vorbei. Damit liegt er auf einer Linie mit Bundeskanzler Schröder, der bereits vor einem Jahr gesagt hat, von der CeBIT werde ein Signal des Aufbruchs ausgehen.

Bis zur Jahresmitte werde sich der Personalabbau weiter fortsetzen. Erst dann würden die Firmen wieder einstellen und so den Abbau weitgehend ausgleichen. In den vergangenen zwei Jahren verlor die Branche rund 60.000 Arbeitsplätze auf derzeit rund 750.000 Beschäftigte. Größte Hemmnisse beim Wachstum sind Berchtold zufolge die restriktive Kreditvergabe der Banken und der Fachkräftemangel. Mehr als jedes zweite Unternehmen berichte von Problemen, die Kreditlinien zu halten oder sich frisches Geld zu beschaffen.

Berchtold betonte, in der Branche um Computer, Handys und Software gehe es spürbar aufwärts. "Es gibt Anlass zum Optimismus, aber nicht zur grenzenlosen Euphorie. Die einzigartigen Wachstumsraten der späten 90er Jahre werden wir so schnell nicht wieder erleben." Auch 2005 wird nach Erwartung des Bitkom ein deutlicher Rückstand von Deutschland bleiben. Weiter forderte Berchtholf einheitliche Rahmenbedingungen für die Telekommunikation. "Die Wirtschaft ist überreguliert und das weltweit", sagte Berchtold. So fielen Telekommunikations-, Internet-und Rundfunkdienste unter völlig unterschiedliche Gesetze. Die Branche brauche eine einheitliche Kommunikations- und Medienordnung sowie international harmonisierte Rahmenbedingungen.

Fast wäre die positive Grundstimmung vollends auf die Anwesenden übergesprungen. Während Axel Zwingenbergers Schlusseinlage waren nicht wenige dazu geneigt, im Rhythmus mitzuklatschen. (anw)