Digital Services Act: EU-Parlament gegen Upload-Filter

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments will verhindern, dass Facebook & Co. als Hilfssheriffs Inhalte überwachen und nach eigenem Ermessen löschen.

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"Filter des Schreckens": Demonstration in Hannover gegen Artikel 13

Demonstration gegen Upload-Filter in Hannover (2019).

(Bild: heise online/Marvin Strathmann)

Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Betreiber großer Online-Plattformen wie sozialer Netzwerke sollen nicht im Alleingang über potenziell rechtswidrige Inhalte entscheiden und sie gegebenenfalls unwidersprochen oder gar automatisiert löschen können. Dafür hat sich der Rechtsauschuss des EU-Parlaments am Donnerstag in seinem Initiativbericht zum geplanten Digital Services Act (DSA) mit breiter Mehrheit ausgesprochen. Für den Gesetzesantrag stimmten 22 Abgeordnete, ein Vertreter der AfD war dagegen bei einer Enthaltung.

Im Umgang mit illegalen Inhalten schlagen die Rechtspolitiker einen Notice-and-Action-Mechanismus vor. Er soll Nutzern zunächst Meldemöglichkeiten einräumen, wie sie bei Facebook, Twitter, TikTok & Co. bereits existieren. Die Betreiber dürften im Anschluss aber nicht mehr maßgeblich selbst entscheiden, was mit den gemeldeten Beiträgen passiert. Die Abgeordneten wollen sie vielmehr auf klare EU-weite Standards verpflichten und so Garantien für die Grundrechte der Nutzer wie die Meinungsfreiheit schaffen.

Wenn Inhalte gekennzeichnet oder entfernt werden, sollen die Betroffenen benachrichtigt werden und die Möglichkeit haben, über ein nationales Streitbeilegungsgremium Rechtsmittel einzulegen. Die endgültige Entscheidung muss nach dem Willen der Volksvertreter eine unabhängige Justizbehörde wie ein Gericht treffen. Eine gut ausgerüstete europäische Aufsichtsbehörde beziehungsweise ein Netzwerk von Kontrolleuren der Mitgliedsstaaten soll die Regeln durchsetzen und hohe Bußgelder verhängen dürfen.

"Ein Szenario, dass wir mit aller Kraft verhindern wollen ist, dass private Unternehmen damit beauftragt werden, als Hilfssheriffs Inhalte zu überwachen und nach eigenem Ermessen zu löschen", begründete Berichterstatter Tiemo Wölken (SPD) den Ansatz. Sonst existierten zu viele Unsicherheiten.

Hierzulande überlässt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bislang die Entscheidung über den Verbleib möglicherweise strafbarer Beiträge vor allem den Betreibern. Die Bundesregierung will dies etwa mit einem Gegenvorstellungsverfahren ändern, der Entwurf dazu ist aber – auch unter europarechtlichen Aspekten – heftig umstritten.

Der Parlamentsausschuss fordert die EU-Kommission zudem auf, klar zwischen illegalen und schädlichen Inhalten zu unterscheiden. Bei "Fake News" und Verschwörungserzählungen sollen die Nutzer so etwa mehr Kontrolle darüber erhalten, was sie angezeigt bekommen. Die Auswahl soll nicht allein durch Algorithmen getroffen werden dürfen.

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Die Abgeordneten stellen zudem klar, dass Plattformen im Rahmen der Selbstkontrolle keine Upload-Filter oder andere Formen der "Ex-ante-Kontrolle" für schädliche oder illegale Inhalte einsetzen sollten. Dies steht aber im Widerspruch zu bereits beschlossenen oder vorbereiteten Gesetzen im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen und terroristische Inhalte, bei denen die Betreiber kaum um den Einsatz automatisierter Filterlösungen herumkommen.

Gezielte Werbung will der Ausschuss strenger reguliert wissen zugunsten von weniger aufdringlichen, kontextunabhängigen Reklameformen, die weniger Daten benötigen und nicht von der vorherigen Interaktion des Nutzers mit Inhalten abhängen. Personalisierte Anzeigen sollen nur mit "der freien, informierten und eindeutigen Zustimmung" der Nutzer erlaubt werden. Dazu kommt der Appell, mit dem DSA transparente Regeln über das Sammeln von Daten zu diesem Zweck einzuführen und das Recht zur anonymen Nutzung digitaler Dienste beizubehalten, wann immer dies möglich ist.

Das Parlament muss den Bericht noch im Plenum bestätigen, was als Formsache gilt. Er geht dann zusammen mit weiteren Vorschlägen, mit denen sich etwa der Binnenmarktausschuss für mehr Interoperabilität stark macht, an die Kommission. Diese will mit dem Gesetzespaket die Macht der großen US-Plattformen einschränken und feilt dazu beispielsweise an einem neuen Wettbewerbsinstrument.

(vbr)