Digitalstaatssekretär: Big-Tech-Kostenbeteiligung wäre "Zwangsabgabe"

In anderen Ländern sei die von der EU-Kommission vorangetriebene Datenmaut für Netflix & Co. "krachend gescheitert", so die Kritik aus dem Digitalministerium.

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EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton treibt die Infrastrukturabgabe für Big Tech unter dem Banner "Fair Share" voran.

(Bild: EU-Kommission)

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Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) sieht die von der EU-Kommission vorbereitete Infrastrukturabgabe für große Plattformbetreiber kritisch. Nach den maßgeblich von Binnenmarktkommissar Thierry Breton als "Fair Share" vorangetriebenen Plänen sollen sich große US-Player wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix an den Kosten der europäischen Netzbetreiber beteiligen. BMDV-Staatssekretär Stefan Schnorr (FDP) sprach am Mittwoch im Digitalausschuss dagegen von einer nicht sinnvollen "Zwangsabgabe".

Die EU-Kommission hatte in der vergangenen Woche einen öffentlichen Konsultationsprozess zu einer solchen Datenmaut gestartet. Der vorgelegte Fragebogen sei aber "leicht tendenziös", meint Schnorr. Darin werde nur erörtert, wie eine solche Abgabe gestaltet werden könne. Die Frage, ob es das von großen europäischen Netzbetreibern wie der Deutschen Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone sowie dem Branchenverband ETNO immer wieder geforderte Instrument überhaupt brauche, werde gar nicht gestellt.

Schnorr sieht für einen derartigen regulatorischen Eingriff aber keinen Bedarf. Dafür müsse ein Marktversagen vorliegen, was weder in Deutschland noch anderswo in Europa zu erkennen sei. Letztlich zahlten die Kunden schon für die Nutzung der Leitungen an die Netzbetreiber.

Zurückhaltend bis ablehnend zeigten sich in der Sitzung auch die Ausschussmitglieder. Sie wollten von dem Staatssekretär etwa wissen, ob ihm ein Beispiel für einen positiven Ausbau der digitalen Infrastruktur durch einen solchen Ansatz bekannt sei. Schnorr musste passen: Ihm sei lediglich bekannt, dass eine vergleichbare Kostenbeteiligung in Südkorea "krachend gescheitert" sei, weil es negative Auswirkungen auf die Medienvielfalt gegeben habe.

Das von den Telekommunikationsunternehmen vorgebrachte Argument, dass ihnen dank der Datenmaut mehr Geld für den Netzausbau zur Verfügung stünde, greift nach Auffassung des Liberalen nicht. Es gebe keine Finanzierungslücken: Netzbetreiber wollten hier innerhalb der nächsten Jahre allein in Deutschland rund 50 Milliarden Euro investieren. Aus der Branche sei zudem oft zu hören, dass der staatlich geförderte Breitbandausbau eigenwirtschaftliche Initiativen verdränge. Ferner seien derzeit die Baukapazitäten "am Anschlag". Mehr Geld hälfe angesichts dieser Engpässe nicht.

Die Bundesregierung wird Schnorr zufolge im Konsultationsprozess Stellung beziehen, sobald eine abgestimmte Position vorliegt. Von der BMDV-Sicht abweichende Meinungen anderer Ministerien seien ihm nicht bekannt. Alle Interessenvertreter würden eingebunden. Er hoffe, dass die Kommission die Eingaben trotz ihrer durchscheinenden Haltung ergebnisoffen auswerte. Im EU-Ministerrat sei die Stimmung schwer zu beurteilen. In Frankreich mache Orange Druck für die Abgabe, in Spanien Telefónica. Beide Konzerne seien damit offenbar "nicht ganz ohne Erfolg geblieben".

Die Frage aus dem Ausschuss, warum vor allem Binnenmarktkommissar Breton eine Lanze für die zusätzlichen Netzgebühren breche und auch anderweitig quasi als verlängerter Lobby-Arm der großen Telcos fungiere, umschiffte der Staatssekretär diplomatisch. Er bezeichnete es nur als "bemerkenswert, dass man sich so an eine Seite anschmiegt". Breton war vor seinem Wechsel in die Politik unter anderem von 2002 bis 2005 Chef von France Télécom (heute Orange) mit einem Jahresgehalt von 1,3 Millionen Euro. Das Unternehmen verlieh ihm im Anschluss den Titel eines "Ehrenvorsitzenden".

(vbr)