Diskussion über Leistungsfähigkeit des digitalen Behördenfunks

Im Berliner Abgeordnetenhaus ist die Leistungsfähigkeit des gerade gestarteten BOS-Funks auf TETRA-Basis infrage gestellt worden. Mehr als 3 kBit/s für die Datenübertragung sollen bis 2010 erst mit der TETRA-Erweiterung TEDS möglich werden.

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Von
  • Detlef Borchers

Im Berliner Abgeordnetenhaus ist die Leistungsfähigkeit des gerade gestarteten BOS-Funks auf TETRA-Basis infrage gestellt worden. Ausgangspunkt ist eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Björn Jotzo, der genaue Angaben zur Leistungsfähigkeit der Datenübertragung im Sprechnetz der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) verlangte.

In der Antwort des Berliner Innensenators Erhart Körting (PDF-Datei) heißt es, dass Daten derzeit nur mit 3 kBit/s übertragen werden können. Bis zum Jahre 2010 soll jedoch der schnelle Datenfunk TEDS zur Verfügung stehen. Da TEDS eine verbesserte Infrastruktur mit einem Software-Upgrade der Basis-Stationen und neue Endgeräte wie TEDS-Modems erfordert, spricht die FDP von einem "Milliardengrab voll veralteter TETRA-Technik" und fordert den Senat auf, für die (Nach-)Finanzierungsrisiken Vorsorge zu treffen.

Das digitale Sprechfunksystem nach dem TETRA-Standard, das bis 2010 den analogen "Behördenfunk" von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten in Deutschland komplett ablösen soll, ist nicht besonders gut für die Datenübertragung geeignet. Verschlüsselung und Fehlerkorrektur reduzieren die zur Verfügung stehende Bandbreite erheblich. Dieser Umstand ist seit Längerem bekannt. So ergänzte Motorola das Funknetz auf der Isle of Man zur Tourist Trophy 2005 mit dem eigenen Canopy-Breitbandfunk. Ähnliches passierte auch beim G8-Gipfel in Heiligendamm, für den Motorola 20 Basisstationen, zwei Notrufzentralen und 2.100 Endgeräte nach dem TETRA-Standard für den Sprechfunk lieferte und den Bildfunk separat abwickelte. "Die Lagedarstellung zum G8-Gipfel in mehreren Leitstellen und im Lagezentrum des Innenministeriums in Schwerin mit mehr als 25 Kameras wurde über ein Breitbandrichtfunknetz realisiert, das auf der Canopy-Technik von Motorola basiert. So konnten die Einsatzkräfte die Lagebeurteilung im Großraum Rostock, Heiligendamm und Flughafen Rostock-Laage ständig in Echtzeit – in 25 Bildern pro Sekunde – vornehmen", heißt es in Motorolas Abschlussmeldung zum G8-Gipfel.

Der TETRA-Standard ist wegen der geringen Datenbandbreite unter dem Label TETRA 2 von der TETRA Association um TEDS erweitert worden, dem TETRA Enhaced Data Service. TEDS ist ein Datenprotokoll, das zunächst 50 bis 250 kBit/s brutto ermöglicht und bei Kanalbreiten von 150 KHz auf bis zu 700 kBit/s ausbaubar ist. Je nach Funkabdeckung wird dabei ein anderes Modulationsverfahren (64/16/4 Quadraturamplitudenmodulation) eingesetzt. Für TEDS wird mindestens ein Software-Upgrade der Basisstationen benötigt, während herkömmliche TETRA-Endgeräte dieses Netz zwar nutzen, aber nicht adäquat ausnutzen können. Hierzu sind leistungsfähigere Endgeräte notwendig.

Im März dieses Jahres hatte das Bundesinnenministerium TETRA-Experten aus aller Welt nach Bonn zu einem TEDS-Workshop eingeladen, um die Datenanforderungen kommender Dienste zu diskutieren. Auf diesem Workshop kristallisierte sich auf technischer Ebene heraus, dass als erste TEDS-Endgeräte reine Datenmodems auf den Markt kommen werden, die den Frequenzbereich von 380 bis 400 MHz und Kanalbandbreiten von 25 bis 50 KHz unterstützen. Die Teilnehmer des Workshops formulierten dabei den Anspruch, dass Teile des heute noch von Militärs genutzten Frequenzspektrums in diesem Bereich im Rahmen einer "zivil-militärischen Kooperation" der gemeinsamen Nutzung zugeführt werden sollen. In Deutschland betreibt etwa die Bundeswehr ihren Tetrapol-Datenfunk in diesem Frequenzspektrum.

Auf der inhaltlichen Ebene wurde der Bedarf an TEDS-Diensten zur visuellen, interaktiven Lageübersicht, zur Übertragung der Bilder von Überwachungskameras und Sensoren sowie zur Nutzung als "mobiles Büro" definiert – der Polizist schreibt dann den kompletten Einsatzbericht mit eingebetteten Digitalfotos vor Ort auf einem Laptop. Als erstes Land hat Finnland mit einer TEDS-artigen Installation Erfahrungen sammeln können. Die Polizei wurde dabei mit Notebooks ausgestattet, über die bei Routine-Verkehrskontrollen nicht nur KFZ- und Führerschein-Daten abgefragt werden können. Der Polizist kann einen Suchlauf über sämtliche polizeilichen Datenbanken starten, der nach den finnischen Antiterrorgesetzen legal ist. Dies führte in 3 Prozent der Fälle zu Treffern mit entsprechender Verhaftung der Personen, die bei der üblichen Überprüfung der KFZ-Daten entkommen wären.

Zu TETRA und zur Ausstattung von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) mit Digitalfunktechnik siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)