Ein halbes Jahr Flugverbot: Was wird aus Boeings 737 Max?

Seite 2: Wiederzulassung ungewiss

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Die in Sachen Boeing stets gut informierte Seattle Times und die britische BBC berichteten übereinstimmend über Kritik der europäischen Luftfahrtbehörde EASA am Wiederzulassungsprozess. Demnach gehen den Europäern die von Boeing in Aussicht gestellten Upgrades der 737 Max nicht weit genug – die EASA wolle eigene Tests durchführen, bevor sie grünes Licht gibt. Trotz aller Ungewissheit geht Boeing-Chef Dennis Muilenburg weiter davon aus, dass die Unglücksflieger im November wieder in Betrieb genommen werden könnten, berichtet die Seattle Times. Es gebe "gute, solide" Fortschritte bei den geplanten Software-Updates der 737 Max, sagte Muilenburg am Mittwoch.

Doch der Rest der Luftfahrtbranche macht sich für eine längere Zwangspause bereit. Die US-Fluggesellschaften United und American Airlines haben die 737 Max vorsorglich bis in den Dezember hinein aus den Flugplänen gestrichen, Southwest Airlines bis Anfang Januar. Auch wenn sich die Unternehmen um Ersatz bemühen, fallen zahlreiche Flüge aus. Mittlerweile ächzt die gesamte Luftfahrtindustrie unter der Boeing-Krise und belastet damit zunehmend die US-Wirtschaft. Auch Zulieferer wie Spirit AeroSystems und General Electric bekommen die Misere zu spüren. Die Folgen der Startverbote haben die jährliche US-Wachstumsrate nach Berechnung des Analysehauses Capital Economics im zweiten Quartal bereits um 0,25 Prozentpunkte verringert.

An Boeing hängen zahlreiche Arbeitsplätze und viel Wirtschaftskraft, deshalb wäre es auch für die US-Konjunktur von hoher Bedeutung, dass der Krisenflieger 737 Max wieder in die Luft gebracht wird. Doch Boeings Vorstandschef Muilenburg hat die Öffentlichkeit auf weitere Rückschläge vorbereitet. Sollte eine Wiederzulassung der Jets länger als geplant dauern, könnte die Produktion weiter gekürzt oder sogar komplett ausgesetzt werden, warnte der Spitzenmanager schon im Juli. Als großen Gewinner von Boeings Debakel ließe sich leicht Erzrivale Airbus ausmachen. Tatsächlich scheint bereits sicher, dass die Europäer dem US-Konzern 2019 erstmals seit Jahren wieder den Titel als größter Flugzeugbauer der Welt abnehmen werden.

Dennoch wäre es kurzsichtig anzunehmen, dass Airbus großen Gefallen an den Problemen des Kontrahenten findet. So hält sich der Spielraum, in dem der Konzern von Boeings Schwäche profitieren kann, ohnehin in Grenzen. Die Unternehmen bilden ein Duopol im Flugzeugmarkt und sie sind beide auf Jahre ausgebucht, sodass Kunden kaum Alternativen haben. Wer seine 737-Max-Bestellung bei Boeing storniert, müsste sich bei Airbus ganz hinten anstellen und jahrelang auf Flugzeuge warten. Und auch grundsätzlich kann Airbus eigentlich kein Interesse dran haben, dass die Branche dauerhaft in Schwierigkeiten gerät – besonders wenn es um das Vertrauen ins Fliegen an und für sich geht.

Während Boeing und andere Unternehmen nach den Abstürzen noch ihre finanziellen Belastungen kalkulieren, bleiben das menschliche Leid und die Trauer der Angehörigen unermesslich. In Äthiopien haben die Behörden die Identifizierung der Opfer abgeschlossen. "Uns ist es gelungen, die Leichenteile der Opfer innerhalb von zwei Monaten zu identifizieren", heißt es in einer in Addis Abeba veröffentlichten Erklärung der zuständigen Untersuchungskommission. Insgesamt wurden demnach 8185 Trümmerstücke, Leichenteile, Dokumente, Taschen und andere Gepäckstücke am Unfallort eingesammelt und akribisch unter die Lupe genommen. An der Untersuchung war auch Interpol beteiligt. Nach deren Angaben waren unter den Opfern Passagiere und Besatzungsmitglieder aus 35 Ländern.

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(olb)