Einwanderungsgesetz: "Kein großer Wurf"

Seite 2: Nicht auf die Anpassung der Welt warten

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Und bei der Erhöhung helfen die neuen Vorschriften nicht?

Nein, obwohl die Idee gut ist: Wer ein Visum zu Erwerbszwecken erhält, ist besser ausgebildet und integriert sich sehr viel besser in den Arbeitsmarkt als andere Einwandergruppen. Deshalb ist die Idee der Öffnung richtig.

Die funktioniert aber schon bei Akademikern nicht.

Davon geht die Regierung aber stillschweigend aus. Unter dem gegenwärtigen Recht kommen zwar mehr Personen mit Hochschul- als mit Ausbildungsabschlüssen, aber auch die Zahl der Hochschulabsolventen, die zu Erwerbszwecken einwandern, ist überschaubar. Und das, obwohl Hochschulabschlüsse international leichter vergleichbar sind als berufliche Ausbildungsabschlüsse.

Für die Anerkennung sind bei uns je nach Beruf der Bund, die Länder, die Gesundheitsämter, die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern zuständig – das können leicht über 1.000 verschiedene Stellen sein. Für jede einzelne Person muss vor der Einwanderung von der jeweils zuständigen Stelle geprüft werden, ob die Abschüsse gleichwertig sind oder eben nicht. Das wird in manchen Fällen leichter, in anderen schwerer.

Es besteht aber auch die Möglichkeit, für maximal sechs Monate befristet einzureisen, um sich einen Arbeitsplatz zu suchen.

Diese gut gemeinte Regelung gab es schon in der Vergangenheit für Hochschulabsolventen, ist aber in der Praxis gescheitert: Wer für sechs Monate zur Arbeitssuche einreisen wollte, musste schon vorher seine Berufsabschlüsse anerkennen lassen. Davon haben nur einige hundert Personen Gebrauch gemacht. Ich wüsste keinen Grund, warum das bei Personen mit beruflichen Abschlüssen anders sein sollte.

Zudem werden jetzt noch zusätzlich deutsche Sprachkenntnisse gefordert. Die sind wichtig, aber wir müssen uns der Realität stellen: Deutsch ist keine Weltsprache, die wenigsten Einwanderer sprechen gut oder sehr gut Deutsch beim Zuzug. Wir müssen deshalb auf die berufsbegleitende Sprachförderung in Deutschland setzen.

Was müsste im Gesetz anders sein, damit der Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten funktioniert?

Das entscheidende Kriterium für einen erfolgreichen Zuzug ist ein bestehender Arbeitsvertrag. Damit hat ein Einwanderer den Markttest bestanden und eine günstige Beschäftigungsprognose. Dies sieht das Gesetz zu Recht so vor. Es ist auch richtig, dass die Personen, die zu uns kommen, über Berufs- und Hochschulabschlüsse verfügen sollen. Wir müssen uns aber von der Illusion verabschieden, dass die Inhalte der Berufs- und Hochschulbildung identisch mit der deutschen Bildung sein sollen.

Migration wird den deutschen Arbeitsmarkt verändern.

Ja, deshalb sollten wir eine Mindestausbildungsdauer und eine Mindeststudiendauer verlangen sowie fälschungssichere Zertifikate von Bildungseinrichtungen in den Herkunftsländern, die gewisse Qualitätsstandards erreichen müssen. Dann wäre die Anerkennung von Abschlüssen nicht mehr das Nadelöhr für die Zuwanderung. Wir müssen uns aber von dem Gedanken verabschieden, dass Migration erst dann möglich ist, wenn die Welt ihre Bildungssysteme an die deutschen Standards angepasst hat. Das ist weder realistisch noch sinnvoll.

Das Interview führte Peter Ilg (mho)