Einwanderungsgesetz: "Kein großer Wurf"

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll den Mangel an Fachkräften eindämmen. Das wird es wahrscheinlich nicht schaffen, urteilt Herbert Brücker vom IAB.

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Einwanderungsgesetz: "Kein großer Wurf"

(Bild: emirkrasnic)

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Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Die Bundesregierung hat sich nach einigen Änderungen in letzter Minute auf ein Konzept für die Zuwanderung von Fachkräften geeinigt. Das Kabinett will den Entwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz noch am Mittwoch verabschieden. Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht ihn im Gespräch mit heise online kritisch und hält ihn für nicht ausreichend.

Herbert Brücker

(Bild: Stefan Brending)


heise online: Herr Brücker, was halten Sie vom Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht wird?

Herbert Brücker: Es enthält einige sinnvolle Veränderungen, aber es ist kein großer Wurf. Der Titel ist auch irreführend. Es wird kein Paradigmenwechsel hin zu einem neuen Einwanderungsrecht eingeleitet. Es werden vielmehr einige Änderungen an bestehenden Gesetzen und Verordnungen, vor allem im Aufenthaltsgesetz und in der Beschäftigungsverordnung vorgenommen. Es handelt sich um eher kleine Reformen innerhalb des bestehenden Rechts.

Das ist ein kritisches Urteil und das gerade von Ihnen: Sie leiten den Forschungsbereich Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, in Nürnberg. Das IAB ist immerhin das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit.

Das IAB ist in seiner Arbeit unabhängig – nur so können wir unsere Rolle in der Forschung, aber auch der wissenschaftsbasierten Beratung von Politik, Öffentlichkeit und Gesellschaft sinnvoll wahrnehmen. Natürlich haben nicht nur wir uns, sondern auch andere wissenschaftliche Einrichtungen, vor allem aber auch Verbände, Kammern und Gewerkschaften zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz in die Diskussion eingebracht. Das war ein großes Konzert mit vielen unterschiedlichen Tönen. Letztendlich hat sich die große Koalition für eine sehr vorsichtige Variante entschieden. Es wird nach unserer Einschätzung nicht viel an Umfang und Struktur der Einwanderung ändern.

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Ziel des Gesetzes ist es, die Einwanderung von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern zu erleichtern, um den Fachkräftemangel in Deutschland einzudämmen. Kann das Gesetz das leisten?

Das Gesetz stellt Einwanderer mit beruflichen Ausbildungsabschlüssen den Akademikern gleich und schafft die Vorrangprüfung für Deutsche und EU-Bürger ab. Beides ist sinnvoll, wird aber nichts Grundlegendes verändern. Die größte Hürde für die Einwanderung im bestehenden Recht bleibt bestehen: Grundsätzlich müssen qualifizierte Fachkräfte vor dem Zuzug über gleichwertige Bildungs- und Berufsabschlüsse verfügen oder sie nach den deutschen Regeln anerkennen lassen. Das bedeutet: nur wenn die Ausbildung eines Handwerkers aus dem Ausland genau derjenigen eines Handwerkers im dualen Ausbildungssystem hierzulande entspricht, hat er eine Chance auf Einwanderung. Daran scheitern die meisten.

Heute schon, bevor das neue Gesetzt in Kraft ist?

Ja. 2017 sind rund 60.000 Menschen aus Drittstaaten mit einem Visum zu Erwerbszwecken nach Deutschland zugezogen. Zwei Drittel von ihnen hatten entweder einen beruflichen oder einen Hochschulabschluss, wobei der Anteil der Hochschulabsolventen unter den Bewerbern deutlich überwog. Gegenwärtig kommt rund die Hälfte der Einwanderer nach Deutschland aus der EU, die andere Hälfte aus Drittstaaten.

Bei den Arbeitnehmern ist der EU-Anteil noch sehr viel höher. Diese Quelle wird aber versiegen, weil den neuen Mitgliedsstaaten der EU selbst der Nachwuchs ausgeht. Dann ist die Zuwanderung zu gering, um unsere Arbeitsplätze zu besetzen. Wir müssen deshalb unter den Einwanderern aus Drittstaaten den Anteil, der zu Erwerbszwecken kommt, erheblich steigern. Einwanderungsländer wie die USA und Kanada kommen auf eine Quote von 40 Prozent an der Zuwanderung aus Drittstaaten, wir nur auf zehn Prozent.