Experten fordern schärferes Vorgehen gegen unerwünschte Telefonwerbung

Bei einer Anhörung zum umstrittenen Gesetzesentwurf der Bundesregierung gegen Telefon-Spam sprach sich die Mehrheit der Sachverständigen für höhere Hürden für Vermarkter aus.

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Bei einer Anhörung zum umstrittenen Gesetzesentwurf der Bundesregierung gegen Telefon-Spam im Rechtsausschuss des Bundestags sprach sich die Mehrheit der Sachverständigen am Mittwoch für höhere Hürden für Vermarkter aus. Viel Unterstützung fand dabei der Appell des Bundesrats, dass die vorgeschriebene Einwilligung des Verbrauchers in Werbeanrufe in Textform erfolgen muss. Auch der Vorschlag der Länder, wonach am Telefon ausgehandelte Verträge erst mit einer schriftlichen Bestätigung nach spätestens zwei Wochen durch den Verbraucher wirksam werden sollen, stieß auf große Befürwortung.

Es komme darauf an, im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) einen eigenen Ansatz zur Durchsetzung des seit 2004 bestehenden Verbots unerwünschter Telefonwerbung zu finden, betonte Karl-Heinz Fezer, Professor für Bürgerliches Recht an der Universität Konstanz. Um den unerlaubten Anrufen den ökonomischen Anreiz zu nehmen, sollte am besten die Rechtswirksamkeit eines dabei ausgehandelten Vertrags zunächst in Frage gestellt werden. Es gehe schließlich um die Abwehr derzeit "tausendfach" erfolgender Eingriffe in die Privatsphäre und damit verknüpfter Persönlichkeitsverletzungen. Dazu sei es vom Verbraucher zuviel verlangt, von sich aus aktiv werden und Widerspruch einlegen zu müssen. Umgekehrt habe eine Bestätigung eines ins Spiel gebrachten Vertrags durch den Verbraucher innerhalb von zwei Wochen zu erfolgen. Bis dahin sollte das anrufende Unternehmen an die Ausführung des Vertrags gebunden werden.

Für Helke Heidemann-Peuser vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) muss ebenfalls klar sein: "Ein Vertrag im Rahmen eines unerlaubten Telefonanrufs kann nicht wirksam werden, wenn er nicht zumindest in Textform bestätigt wird." Vor allem allein über das Internet zu erbringende Dienste sollten generell einer zusätzlichen Bewilligung durch den Verbraucher bedürfen. Auch dem "Abfischen" von "Einwilligungserklärungen" in Telefonwerbung etwa über Gewinnspiele mit entsprechenden Klauseln im Kleingedruckten müsse der Gesetzgeber einen Riegel etwa durch ein sogenanntes Kopplungsverbot vorschieben. Bislang sei es ein "mühsamer Weg", gegen schwarze Schafe vorzugehen, da sich viele Firmen nicht an Unterlassungsbescheide halten würden. So sei ein namhaftes Telekommunikationsunternehmen erst im dritten Verfahren zur Zahlung von lediglich 40.000 Euro verurteilt worden. Ein "wichtiges Signal" wäre es daher, wenn schon der Erstversuch zum Telefon-Spamming mit einem Bußgeld bedroht wäre. Verstöße gegen Unterlassungsurteile sollten mit bis zu 250.000 Euro zu ahnden sein.

Das "Damoklesschwert der Unwirksamkeit" müsse über Verträgen schweben, die aus unerwünschter Telefonwerbung hervorgehen, forderte auch Ronny Jahn von der Verbraucherzentrale Berlin. Eine Ausweitung von Widerrufsrechten allein reiche nicht aus. Joachim Lüblinghoff, Richter am Oberlandesgericht Hamm, rief die Politik ebenfalls auf, "flankierende Maßnahmen zu ergreifen". Die Erfordernis einer ausdrücklichen Einwilligung in Telefonanrufe für Verkaufszwecke in Textform sowie die Bestätigungslösung hielt er für praktikable Ansätze, die den Gerichten die Arbeit erleichtern würden. Dass Verträge damit ähnlich wie bei Kindern zunächst schwebend unwirksam wären, stelle die Juristen vor "wenig Probleme".

Christiane Wendehorst vom Institut für Zivilrecht an der Universität Wien hielt den Aufbau höherer Hürden vor Kostenfallen im Internet für nötig. So sollten Online-Anbieter bei der Einforderung von Dienstleistungsverträgen etwa für einen IQ-Test künftig nachweisen müssen, dass ihren Kunden entstehende Entgeltforderungen bekannt gemacht worden seien. Das Widerrufsrecht dürfe auch nur noch erlöschen, wenn vertragliche Leistungen beiderseitig vollständig erbracht seien. Für die Kündigung von Altverträgen sollte die Textform erforderlich sein, wobei günstige Konditionen weiter gelten müssten. Dass aufgrund solcher Verschärfungen der Fernabsatz zum Erliegen kommt, erwartet die Professorin nicht. Für bestimmte Sparten, die wenig Mittel für klassische Werbung aufbringen können, würden Wege zur Kundenansprache zwar beschnitten. Dies sei aber "ein Preis, den wir in Kauf nehmen müssen, um Verbraucherschutz effektiv zu gewährleisten".

Die Gegenseite bezeichnete die vom Bundesrat befürworteten Ergänzungen als nicht vereinbar mit dem gegenwärtigen Rechtssystem. Peter Rheinländer, Justiziar des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels, warnte vor dogmatischen Brüchen. Die Schwierigkeiten lägen nicht an zu laxen Sanktionen, sondern in der mangelnden Möglichkeit, die Störer zu ermitteln. Seine Vereinigung begrüßte daher genauso wie der Geschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Bernd Nauen, ein bußgeldbewehrtes Verbot der Rufnummernunterdrückung. "Der Zweck heiligt aber nicht jedes Mittel", plädierte der ZAW-Vertreter gegen Bestätigungen und zusätzliche Einwilligungsbestimmungen. Dadurch würde sich letztlich die Verbraucherbelästigung nur erhöhen. Wer ohne Opt-in-Vermerk anrufe, müsse dann den umworbenen Kunden noch hinterhertelefonieren, um eine Bewilligung zu erhalten.

Der Bayreuther Zivilrechtler Ansgar Ohly trug die Bedenken der Wirtschaft mit und fürchtete konkurrierende Rechtsverhältnisse zwischen dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und dem UWG. Laut Ersterem müsse der Verbraucher sich immer selbst rühren, wenn er einen Vertrag lösen wolle. Fezer hielt dagegen, dass es in den behandelten Fragen im Grunde nicht ums Vertragsrecht gehe. Es sei völlig vereinbar mit dem bestehendem Recht, dass ein Vertrag, der auf einer Persönlichkeitsverletzung bestehe, nicht zustande kommen solle. Die Bestätigungslösung sei effizient, kostenneutral und verursache keinen bürokratischen Aufwand. (Stefan Krempl) / (jk)