Fahrrad geklaut | Airtag, Tile & Co zur Hilfe!

GPS-Tracker sind energiehungrig und umständlich. Aber können auch Bluetooth-Findehelfer wie Apple Airtag, Tile und Co ein geklautes Rad finden? Ein Experiment.

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Lesezeit: 15 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen
Inhaltsverzeichnis

Dass man in der eigenen Wohnung Bluetooth-Findehelfer wie Apple Airtag, Samsung Smarttag oder Tile anfunken und zum piepsen bringen kann, ist klar. Zusätzlich können die Geräte ihre Position aber auch vollautomatisch in freier Wildbahn ins Netz schicken. c't 3003 hat ausprobiert, ob die Mini-Findehelfer ausreichen, um zum Beispiel ein geklautes Fahrrad aufzuspüren.

(Hinweis: Dieses Transkript ist für Menschen gedacht, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Der Text gibt nicht alle Informationen der Bildspur wieder.)

Guckt mal hier, das ist mein Fahrrad. Das werde ich mir von meinen 3003-Kollegen Lukas “klauen” lassen. Er sagt mir nicht, wo er es versteckt hat. Aber ich werde trotzdem versuchen, das wiederzufinden, weil ich an das Rad nämlich ein Apple Airtag, ein Billig-Airtag von Aldi, ein Samsung SmartTag und ein Tile draufgeklebt habe. Das sind solche Bluetooth-Findehelfer, die man mit dem Smartphone anpingen kann und die dann piepsen und dann kann man zum Beispiel das Schlüsselbund finden, das sich hinter dem Sofa versteckt hat.

All diese Findehelfer lassen sich aber nicht nur verwenden, wenn man selbst der Nähe ist, also wenn das eigene Smartphone Verbindung über Bluetooth oder Ultra-Wide-Band aufnehmen kann. Sondern die unterstützen auch alle so was wie ein “Peer-to-Peer”-Netzwerk. Das bedeutet: Wenn ich mein Schlüsselbund, an dem so ein Finde-Tag hängt, aus Versehen in einen Straßenmülleimer werfe, dann sendet dieses Tag permanent ein Signal aus, wie so ein Leuchtfeuer eines Leuchtturms – nur eben als Funksignal – und alle kompatiblen Smartphones, die an dem Mülleimer vorbeilaufen (also mit Menschen dran) können dieses Signal empfangen und die senden dann die Position an den Server. Ja, und dann kann ich auf meinem Smartphone sehen: Oh, mein Schlüsselbund ist da und da im Mülleimer. Dass eure Smartphones permanent als Findehelfer mitarbeiten, das kriegt ihr gar nicht mit. Das läuft alles im abgeschottet im Hintergrund.

Ich wollte jedenfalls wissen: Funktionieren diese Peer-to-Peer-Netzwerke wirklich? Kann ich damit mein Fahrrad auch an einem Ort wiederfinden, wo nicht unbedingt superviele Leute vorbeilaufen? Die Antworten darauf seht ihr in diesem Video. Und auch die Antwort auf die Frage, warum ich nicht einfach ein GPS-Tracker verwende, der die Position direkt ins Internet schickt. Bleibt dran.

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei…

So, ich hab mir vier Finde-Tags besorgt, ein Original-Apple-Airtag (39 Euro), ein Billig-Airtag von Aldi namens Maginon Smarttag (30 Euro Zweierpack), ein Samsung SmarrtTag (35 Euro) und ein Tile Mate (25 Euro). Das Apple-Airtag und Maginon-Smarttag benutzen Apples “Wo ist”-Netzwerk, das geht also nur mit Apple-Mobilgeräten. Der Unterschied zwischen Original und Billigversion ist nur das im Maginon-Tag fehlende UltraWideBand. Damit kann man direkt auf dem Smartphone-Display sehen, wie weit man von dem Airtag entfernt ist. Soooo wichtig ist das aber nicht, weil man kann die Geräte halt auch einfach per App piepsen lassen und sie dann so finden. Der Vorteil vom Billig-Airtag: Da ist ein Loch drin, man kann sich das also einfach so ohne Zusatz-Hardware ans Schlüsselbund hängen. Bei Apple braucht man einen Schlüsselanhänger, der original von Apple mehr kostet als das Airtag selbst. Apple verkauft auch Airtag-Schlüsselanhänger von Hermes für 419 Euro. Dazu sag’ ich jetzt mal nichts.

So, jetzt zu den anderen Tags noch: Das Tile Mate nutzt sein eigenes Tile-Netzwerk und läuft auf Android und iOS, aber man muss dafür die Tile-App installiert haben. Das Samsung SmartTag benutzt das Samsung-eigene SmartThings-Netzwerk und läuft nur auf Samsung-Mobilgeräten ab Android 8.

Damit ihr ein mal ein Gefühl für die Pieper-Lautstärke bekommt, lassen wir die vier Tags mal nacheinander piepsen, das Audio ist unbearbeitet.

So, und jetzt noch zum Thema GPS-Tracker: Ja, es gibt „echte“ GPS-Tracker für Fahrräder. Nur brauchen die halt eine Mobilfunk-Datenverbindung, damit sie ihre Position selbst ins Netz schicken können, also ohne Umweg über andere Smartphones. Das benötigt sehr viel Energie. DEUTLICH mehr als das Bluetooth-Leuchtfeuer der kleinen Finde-Tags. Und ja, man braucht natürlich für Mobilfunk-Daten eigentlich auch einen Mobilfunkvertrag und ‘ne Sim-Karte. Es gibt aber inzwischen so GPS-Tracker, da ist das alles integriert, aber das Energieproblem bleibt. Hier zum Beispiel der Cobblestone von Copenhagen Trackers. Kostet etwas mehr als 100 Euro und hat eine fest eingebaute Batterie. Ja, und wenn man häufig die Position ins Netz senden will, ist die nach wenigen Monaten oder sogar Wochen leer. Der Hersteller verspricht, dass die Batterie vier Jahre lang hält, wenn man lediglich einmal am Tag die Position schickt – aber a) ist einmal am Tag meiner Meinung nach zu wenig, um das Fahrrad nach einem Diebstahl zuverlässig aufzuspüren und b) stimmt die Angabe zumindest laut Kundenbewertungen nicht, in der Praxis ist das Ding oft wohl früher leer.

Zum Vergleich: Nur die Batterie vom Tile Mate kann man nicht wechseln, die drei anderen Bluetooth-Findetags nutzen Standardbatterien, nämlich CR2032-Knopfzellen, die kosten 50 Cent das Stück. Und die halten ungefähr ein Jahr lang, was wir auch bestätigen können. Kein Wunder also, dass zum Beispiel die deutsche Firma SAR-Mini, die früher noch einen GPS-Tracker angeboten haben, nun komplett auf Airtags umgestiegen sind.

So, und jetzt aber wieder zu unserem Experiment: Wir haben also alle vier Tracker in Gang gesetzt und mit kompatiblen Smartphones gekoppelt. Dabei muss ich echt mal Apple loben: Ich war ziemlich beeindruckt, wie unglaublich einfach man einen Airtag aktiviert. Aus der Packung nehmen, hier die Lasche von der Batterie wegziehen und ZACK, sofort poppt auf meinem in der Nähe liegenden iPhone eine Meldung auf. Einmal auf “Verbinden” tippen, fertig. Beim Billig-Airtag ging das nicht ganz so leicht, das größte Problem war die Batterie-Lasche, die ich da fast nicht abgezogen bekommen habe. Man muss das Teil aber auch manuell koppeln mit der “Wo ist”-App, aber ja, das war sonst auch einfach.

Bei Samsung und Tile dagegen verlief die Einrichtung komplizierter, vor allem, weil man bei beiden extra Accounts beim Hersteller anlegen muss, aber gut, man richtet die Dinger ja auch nur einmal ein.

Und dann also ans Fahrrad damit! Für den Apple-Airtag kann man so eine super unaufällige Klingel kaufen, Airbell heißt die, wo man den Airtag einfach unten reinsetzt. Kostet 18 Euro und gefällt mir richtig gut, weil man das wirklich von außen absolut nicht erkennen kann. Die anderen Tags habe ich mit der bewährten Panzertape-Methode “eingebaut”.

Der Plan ging jetzt folgendermaßen: Lukas fährt mit meinem Fahrrad irgendwohin und ich versuche, ihn nur mit den Tags am Rad zu finden. Damit Lukas nicht selbst die Bluetooth-Signale der Tags auffängt, hat er keinerlei Technik dabei, außer seiner analogen Armbanduhr. Und los geht’s, um 13.10 fährt Lukas los. Um 14 Uhr beginne ich, ihn zu suchen.

Ja, ziemlich unbefriedigend. Tile und Samsung zeigen immer noch den Ausgangspunkt an, das heise-Verlagshaus. Der Airtag zeigt einen Ort nur ein paar hundert Meter weiter. Das wird nicht Lukas’ Versteck sein, aber ich fahre trotzdem mal hin.

Also, ja, da hat er sich nicht versteckt. Aber hier ist ein Studentenwohnheim, deshalb ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass hier jemand das Airtag-Funkfeuer aufgefangen hat, denke ich mir mal.

Nach ein bisschen Warterei fahre ich mal in den Wald, in die Eilenriede, angeblich Europas größter Stadtwald. Zumindest würde ich da an so einem heißen Tag wie heute hinfahren, da ist es nämlich schön kühl.

Ja, aber keine Chance. Die Eilenriede ist viel zu groß, um Lukas und mein Fahrrad ohne Hilfsmittel zu finden. Ich lasse mal meine Drohne steigen, vielleicht sehe ich ihn von oben? Nee, leider nicht.

Um 15 Uhr, also fast zwei Stunden nachdem Lukas losgefahren ist, fahre ich wieder ins Büro. Das AirTag zeigt immer noch die letzte Position um 13.16 an, da am Studentenwohnheim, ich habe keine Ahnung, wo ich suchen soll. Die anderen Apps zeigen weiterhin den Ausgangspunkt.

Um 15.39 dann jetzt die Sensation: Auf einmal zeigt die Wo-Ist-App bei beiden AirTags eine neue Position an, mitten im Wald. Kurioserweise sind die Positionen laut “Wo Ist” von 14:04 und 14:05 Uhr. Also offenbar hat das System eine Verzögerung von anderthalb Stunden? Warum das denn? Seltsam. Aber ich fahre hin, in der Hoffnung, dass Lukas noch nicht aufgegeben hat. Leute, ist das aufregend.

Wow, da sitzt er wirklich auf der Bank und liest ein analoges Buch. Ok, es hat geklappt, aber halt erst drei Stunden, nachdem mein Fahrrad “geklaut” wurde.
Lukas hat mir dann erzählt, dass viele Leute an ihm vorbeispaziert sind, einige auch mit Airpods im Ohr. Die müssen also recht sicher sein Signal aufgefangen haben. Aber war wirklich niemand mit Samsung-Handy dabei? Die Samsung-App zeigt nämlich immer noch den alten Ort. Tile auch.

Ok, das Experiment hat funktioniert, aber durch die Verzögerung beim Airtag ziemlich unbefriedigend und vor allem will ich nicht glauben, dass Samsung und Tile gar nicht funktionieren.

Deshalb hab ich dann Lukas gebenten, nochmal mein Rad zu klauen und damit in eine belebte Umgebung mitten in der Stadt zu fahren. Ja, das Ergebnis ist etwas besser: Die beiden Airtags haben deutlich schneller die Fährte aufgenommen, Samsung etwas später auch, aber Tile hat mal wieder gar nicht funktioniert. Naja, das liegt vermutlich daran, dass auf Überträger-Smartphones zwingend die Tile-App installiert sein muss. Und offenbar ist das auf vielen Handys nicht der Fall.

Bevor ich zum Fazit komme, muss ich unbedingt nochmal über das Missbrauchspotenzial der Tags sprechen. Sowohl Tile als auch Samsung können einen Standortverlauf anlegen. Bei Tile kostet das extra, man muss ein Abo für 35 Euro im Jahr abschließen. Ja, und da kann man dann wirklich genau sehen, wann das Bluetooth-Tag wo war. Und zwar auch dann, wenn die Person, die das Ding mit sich rumschleppt, gar nicht weiß, dass es da ist. Also, wenn das zum Beispiel unters Auto geklebt ist. Oder in eine Handtasche eingenäht. Man bekommt bei Samsung und Tile tatsächlich auch keine Warnmeldung aufs Handy, wir haben das ausprobiert, Lukas hat alle auf meine Accounts aktivierten Tags zwei Tage mit sich rumgeschleppt.

Nur bei den beiden AirTags hat die automatische Warnung funktioniert. Aber: Auch nur auf Lukas’ iPhone. Auf seinem Android-Telefon, einem Pixel 7, was auch schon das “Fremde-Airtags-erkennen”- Update bekommen hat, nicht. Erst als er aktiv in den Einstellung auf “manuelle Suche” gedrückt hat. Und auch nur beim originalen Airtag. Was ja nicht praxistauglich ist, man kann ja nicht ständig manuell nach Tags suchen.

Auf dem iPhone bekamen wir übrigens die “Du führst ein unbekanntes AirTag”-Meldung immer in dem Moment, an dem wir in die Nähe unserer Wohnung kamen. Das scheint Apple bewusst so eingerichtet zu haben – schließlich will man nicht, dass Stalker wissen, wo man wohnt. Man kann also, bevor man in die Wohnung geht, schnell woanders hingehen, das Feind-AirTag suchen und die Batterie rausnehmen. Wie das geht, zeigt die Warn-Meldung auch direkt an, das ist echt ganz gut gemacht.

Aber wie gesagt: Bei Tile und Samsung gibts keine Warnung. Nun kann man sagen, zum Glück funktionieren deren beiden Such-Netzwerke nicht so gut wie das von Apple, aber zumindest die Samsung-Tags dürften in größeren Städten für illegale Anwendungen nutzbar sein. Laut Samsung würde die SmartThings-App auf Samsung-Geräten fremde SmartTags erkennen – aber das nützt nun wenig, wenn man selbst kein Samsung-Mobilgerät verwendet.

Apple und Google haben das Problem zumindest erkannt und sich auf einen Stalker-Warn-Standard geeinigt. Damit sollen iOS und Android standardmäßig fremde Finde-Tags erkennen. Wir können aber Stand heute sagen: Ein Pixel 7 mit aktuellem Android erkennt nur das Orginal AirTag, die drei anderen nicht. Und das auch nicht automatisch, sondern nur manuell. iPhones erkennen automatisch zumindest fremde AirTags, aber kein Samsung und kein Tile. Das ist echt problematisch und sollte schleunigst behoben werden. Wichtig ist vor allem, dass Samsung und Tile mit Apple und Google bei ihrem gemeinsamen Standard zusammenarbeiten, Interesse haben sie zumindest schon bekundet. Wir werden uns die Situation mal in ein paar Monaten nochmal anschauen – weil zumindest ich will ungern heimlich getrackt werden. Geht euch wahrscheinlich ähnlich.

Apropos Standard: Google plant auch, ein geräteübergreifendes Android-Findenetzwerk zu etablieren. Was dann so wie das von Apple funktioniert: Dass also jedes Android-Telefon auf Betriebssystem-Ebene Findetags erkennt und die Position weitergibt. Aber irgendwie wurde das immer wieder nach hinten geschoben, mal sehen, wann das Projekt startet. Im besten Fall aber dürfte das neue Android-Findenetzwerk dann zumindest hierzulande sogar besser funktionieren als das Wo-Ist-Netzwerk von Apple – denn in der deutschsprachigen Welt hat Android einen höheren Marktanteil als Apple. In der Schweiz ist der Apple-Anteil zwar sehr hoch, aber Androids gibts hier noch ein bisschen mehr.

Ja, es funktioniert, man kann ohne GPS-Tracker ein geklautes Fahrrad wiederfinden. Am besten klappt es mit Apple-Airtags, man kann da getrost die billigeren Wo-Ist-kompatiblen Nicht-Apple-Geräte nehmen, die gehen genauso gut. Aber man muss sich im klaren sein: Wenn das Fahrrad irgendwo im Niemandsland ist, wo nie jemand mit einem iPhone vorbeiläuft, hat man ein Problem. Und man muss die Verzögerung auf dem Schirm haben, bis das Fahrrad dann endlich in der Wo-Ist-App auftaucht. Die Tags von Samsung funktionieren wirklich nur in extrem belebten Umgebungen und der Tile hat zumindest bei unseren Tests gar nicht funktioniert. Also, ich werde meine AirTag-Klingel auf jeden Fall am Lenker lassen und schlafe damit nun ein bisschen ruhiger als früher. Tschüss!

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c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t Magazin. Die Redakteure Jan-Keno Janssen und Lukas Rumpler sowie die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)