Gigabitförderung: Wirtschaft sieht viele Stellschrauben nicht richtig gestellt

Die neue Förderrichtlinie für den Glasfaserausbau ist in Kraft. Die Branche lobt, dass das "Windhundprinzip" passé ist. Werden die Gigabit-Ziele nun erreichbar?

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(Bild: TPROduction/Shutterstock.com)

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Die Telekommunikationswirtschaft hat verhalten auf die neue Richtlinie zur Gigabitförderung des Bundes reagiert, die das Bundesministerium für Digitales und Verkehr am Montag veröffentlicht und in Kraft gesetzt hat. Trotz einiger guter Ansätze und Änderungen habe das Bundesdigitalministerium "wichtige Hebel für den schnelleren Ausbau Deutschlands ungenutzt gelassen", moniert Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Branchenverbands VATM. Damit bestehe "nicht die dringend erforderliche Planungssicherheit für den schnellen eigenwirtschaftlichen Ausbau von Glasfasernetzen bis 2030". Bis dahin soll die Branche laut der Bundesregierung allen Haushalten einen gigabitfähigen Anschluss zur Verfügung stellen.

Zu den sinnvollen Maßnahmen zählt der VATM, dass die bislang un- und unterversorgten Orte möglichst schnell und effizient mit Glasfaser versorgt werden sollen. Sie werden künftig auf eine "Fast Lane"geschoben und die Bagger periodisiert genau zuerst dorthin geschickt. "Mindestens genauso wichtig wäre aber gewesen, dort, wo ganz überwiegend eigenwirtschaftlich ausgebaut wird, die wenigen förderbedürftigen Häuser in einem Rutsch sofort mitanschließen zu können", gibt Grützner zubedenken. Die in der Gigabitstrategie ausdrücklich geforderte enge Verzahnung drohe nun daran, zu scheitern "dass diese Häuser es nicht auf die 'Fast Lane' schaffen". Ob die neuen Vorgaben so auf die Gigabitziele der Regierung einzahlten, bleibe abzuwarten: Viele Stellschrauben seien nicht richtig gestellt worden.

Das neue Förderprogramm sei ein Kompromiss zwischen dem BMDV, den Ländern und den Kommunen, "der die Ausbaupraxis der Unternehmen und die nur in begrenztem Maße zur Verfügung stehenden Tiefbaukapazitäten nicht hinreichend berücksichtigt", kritisiert auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko). Vor allem fehle es an einer Begrenzung der parallel laufenden Förderverfahren und einer effizienten Verzahnung mit dem eigenwirtschaftlichen Ausbau. Leider spiele auch die vom BMDV selbst beauftragte Potenzialanalyse bei der Priorisierung von Fördermaßnamen keine relevante Rolle.

Die vorgesehenen, aber erst von 2024 an verpflichtenden Branchendialoge vor einer Marktsondierung und das Limit für Fördersummen pro Bundesland sieht der Breko positiv. Anstelle der Zusammenfassung nicht benötigter Fördermittel eines Jahres in einem Gesamttopf hätte das BMDV jedoch den Ländern, die ihre Mittel nicht ausgeschöpft haben, im darauffolgenden Jahr einen verhältnismäßig höheren Anteil zuweisen sollen. Dieser Anreiz für einen zielgerichteten und sparsamen Einsatz öffentlicher Mittel fehle. Der Digitalverband Bitkom begrüßte, dass die Politik der wenig effizienten bisherigen Vergabe der Gelder nach dem "Windhundprinzip" ein Ende gesetzt habe. Nun gehe es nicht mehr nach der zeitlichen Reihenfolge der Anträge, sondern nach mehreren Kriterien. Die Gefahr eines neuen "Förder-Tsunamis" bestehe aber weiter, da rund 3 Milliarden Euro jährlich "deutlich zu hoch angesetzt sind".

"Wir machen die Gigabitförderung besser, zielgerichteter und effizienter", zeigte sich Wissing dagegen zuversichtlich. Johannes Schätzl, Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, lobte, dass die neuen Vorschriften auch das sogenannte Betreibermodell stärke. Dabei könne das gebaute Netz auch nach Ablauf der Zweckbindung im Besitz der Städte, Kommunen und Landkreise bleiben, was den Telcos aber übel aufstößt. Die Koalition werde das Programm "kontinuierlich evaluieren und dabei darauf achten, dass die Fördergelder auf einem konstant hohen Niveau bleiben". Die Grünen Tabea Rößner und Maik Außendorf sprachen von einem "wichtigen Schritt in Richtung einer flächendeckenden Versorgung mit Glasfaser". Die Fraktion setze sich dafür ein, das Betreibermodell zu stärken, Open-Access-Modelle in der geförderten Infrastruktur durchzusetzen und "den volkswirtschaftlich und klimaschutzpolitisch teuren Überbau bereits bestehender Glasfasernetze zu vermeiden".

(fds)