II. Patentkrieg: Deutschen Autoherstellern droht der Produktionsstopp

Seite 3: Bemessungsgrundlage: der Listenpreis

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Die Patentinhaber verschwenden keine Energie mit den Herstellern der Komponenten, sondern verklagen direkt die OEMs.

(Bild: heise online)

Die Autobranche pflegte lange das Prinzip, dass jede Komponente in der Lieferkette vollständig lizenziert sein muss. Damit war jeweils das Unternehmen, dem am ehesten eine Verletzung vorzuwerfen wäre, dafür zuständig, lizenzrechtliche Probleme zu vermeiden oder ansonsten später zu lösen.

Patentinhaber wie Nokia machen jedoch einen weiten Bogen um die Chiphersteller sowie Tier-1- und Tier-2-Zulieferer. Sie üben ihr Wahlrecht als Patentinhaber aus und schießen sich auf den Automobilhersteller ein. Eine Autofabrik stillzulegen verursacht mehr Schaden, als den Vertrieb eines Chips zu unterbinden, für den es Ersatz von anderen Anbietern gibt.

Es lässt sich aber auch aus einem anderen Grund besser verhandeln: je weiter unten ein Unternehmen in der Lieferkette steht, desto höher ist die Basisgröße, auf welche sich die Lizenz- oder im Streitfall die Schadensersatzforderungen beziehen. Ein paar Euro erscheinen in Relation zum Preis einer S-Klasse winzig – im Smartphone-Bereich erhält Nokia jedoch pro Gerät nicht einmal einen Euro.

Dass solche Patent-Angriffe auf den Fahrzeughersteller wettbewerbsrechtlich zulässig sind, bestreiten Daimler, Continental und weitere Beschwerdeführer. Die Unternehmen der Automobilbranche, die für 15 Prozent aller Arbeitsplätze in der deutschen Industrie stehen, rufen die Bundesregierung und die EU-Wettbewerbshüter um Hilfe. Die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission ist jedoch sichtlich bemüht, sich förmliche Ermittlungen zu ersparen, will man doch gegen europäische "Champions" aus politischen Gründen lieber nicht vorgehen.

Vom deutschen Gesetzgeber fordert die Autobranche eine Entschärfung des Patentrechts. Bevor es zu eine Produktions- und Lieferstopp kommt, soll die Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Das Bundesministerium der Justiz und für den Verbraucherschutz legte diesen Monat ein Eckpunktepapier vor, das jedoch nach eigener Aussage des Ministeriums die Rechtslage nicht ändern soll. Das letzte Wort hat der Bundestag im weiteren Verlauf des Jahres. (vbr)