II. Patentkrieg: Deutschen Autoherstellern droht der Produktionsstopp

Smartphone Wars Reloaded – Zehn Jahre nach dem Patentkrieg um Handy-Technik bekommen es nun Daimler, BMW und VW mit den Patentinhabern zu tun.

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II. Patentkrieg: Autoherstellern droht der Produktionsstopp

Die zunehmende Vernetzung ihrer Produkte macht die Automobilbranche anfällig für Patentansprüche der Mobilfunker.

(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Florian Müller
Inhaltsverzeichnis

Vor deutschen Gerichten tobt derzeit erneut ein Patentkrieg: Ein Jahrzehnt nach dem Ausbruch der "Smartphone Patent Wars" sind die Automobilhersteller zur Zielscheibe zahlreicher Patentklagen geworden. Die Kläger und die von ihnen vorgebrachten Patente fallen überwiegend in dieselben Kategorien wie diejenigen, gegen die sich Apple, Samsung & Co. seit geraumer Zeit verteidigen müssen: Patente auf Mobilfunkstandards wie 4G/LTE, aber auch auf grundlegende Chip-Technologien oder anwendungsspezifische Funktionen wie das Rendering von Texturen.

Dabei haben die deutschen Autohersteller das Pech, dank des am Standort ihrer größten Werke geltenden Patentrechts besonders verwundbar zu sein. Lizenzgebühren summieren sich schnell auf hohe Beträge. Eine im Vergleich zu Apple margenschwache Branche kann sich das nicht leisten. Der logistische Schaden aus der Vollstreckung von Patenturteilen ist ungleich größer: Es drohen Produktionsstopps. Der tägliche Schaden eines Herstellungsverbots beliefe sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

Am Dienstag fällt das Landgericht Mannheim eine Entscheidung in einem von mehreren Verfahren, die Nokia gegen Daimler angestrengt hat. Hier geht es um ein Patent für ein Verfahren zur Ressourcenverteilung in Telekommunikationsnetzen, das Nokia für standardrelevant hält. Die Finnen fordern für jeden Mercedes ein Vielfaches von dem, was Smartphone-Hersteller für dieselben Patentlizenzen pro Gerät berappen müssen. Über Zahlen wird in der Branche nicht offen gesprochen. Insidern zufolge dürfte die Rate für Smartphones deutlich unter einem Euro liegen.

In der Stadt, in der gefühlt jeder Zweite "beim Benz" arbeitet, könnten die Bänder stillstehen, sollte sich Nokia durchsetzen. Der Vorsitzende Richter hat allerdings schon durchblicken lassen, dass Daimler mit einer Klageabweisung rechnen darf. Am Donnerstag findet vor dem Landgericht München I der erste Termin in einem weiteren Rechtsstreit zwischen Nokia und Daimler statt, in dem es um ein anderes Patent geht.

Doch sind das nicht die einzigen Verfahren gegen einen Automobilhersteller, die deutsche Gerichte beschäftigen. Broadcom hatte mit seinen Klagen gegen Volkswagen und Audi die erste bedeutende Patentschlacht losgetreten. Der VW-Konzern sah sich 2018 zu einem Vergleich gezwungen, weil Broadcom mit seiner Klageserie Erfolg zu haben drohte. Der Chiphersteller hat nun auch BMW und Daimler ins Visier genommen.

Für Daimler ist das ein vergleichsweise kleines Problem unter vielen: der Autokonzern hat es darüber hinaus mit zehn Klagen von Nokia, weiteren sechs von Sharp und einer von dem Patentverwerter Conversant zu tun. Die drei Kläger gehören dem Patentpool Avanci an, der sich mit Volkswagen und BMW vertraglich geeinigt hat, während die Schwaben die Avanci-Konditionen aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen.