Indischer Billigstcomputer für E-Learning verzögert sich weiter

Die indische Regierung hat heute eine E-Learning-Plattform eröffnet, um die Ausbildung in ländlichen Gebieten und der ärmeren Bevölkerung zu verbessern - auf den sagenumwobenen 10-Dollar-Laptop müssen die Bürger aber weiter warten.

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Der indische Bildungsminister Arjun Singh hat heute in einer Zeremonie an der Sri-Venkateswara-Universität in Tirupati im Bundesstaat Andhra Pradesh das E-Learning-Portal Sakshat eröffnet. Es ist Teil der National Mission on Education through Information and Communication Technology, die die Schul- und Ausbildung in ländlichen Regionen und ärmerer Bevölkerungsschichten verbessern soll. Federführend ist das indische Ministerium für Human Resource Development (MHRD).

Im Rahmen der Vorstellung von Sakshat sollte eigentlich auch der Prototyp eines "Ultra-Low-Cost-Computing"-Geräts gezeigt werden, das Internet-Zugriff ermöglichen soll. Ein solcher Billigstcomputer war bereits im Juli vergangenen Jahres anlässlich der Konferenz eIndia2008 angekündigt worden. Er soll von zwei indischen Instituten entwickelt werden, dem India Institute of Technology Madras (IIT Madras) und dem Indian Institute of Science Bangalore (IIS Bangalore).

Doch aus der von der IT-Welt lange erwarteten Präsentation wurde nichts: Das Ministerium beschränkte sich auf die Wiedergabe der wenigen Details, die zuvor schon kolportiert worden waren (2 GByte Speicher, WLAN-tauglich) – und den Hinweis, dass Geräte wohl erst in rund sechs Monaten erhältlich sein werden. Dass seit Beginn der Woche wieder zuhauf Meldungen durch die Pressewelt geistern, wonach Indien in der Lage sein soll, ein Laptop für umgerechnet 10 Dollar zu produzieren, mit dem sich auch arbeiten lässt, liegt daran, dass das indische Informationsministerium Medienvertreter in der vergangenen Woche noch einmal über die Ziele des nationalen Bildungsplans informierte.

In einem Mission Document (PDF-Datei) hatte die Regierung zuvor festgehalten, dass Indien es sich einfach nicht leisten könne, 500 Millionen Menschen mit Laptops zu versorgen, wenn diese 100 Dollar oder mehr das Stück kosten. Anders könne es aber aussehen, wenn man von einem Gerätepreis von 10 Dollar ausgehe, dann ließen sich die Investitionen auch von den Bürgern selbst tragen. Die 10 Dollar sind also längst kein Fakt, sondern lediglich Ziel. Im Mission Document ist auch nicht ausschließlich die Rede von "Laptops", sondern von "Ultra Low Cost Low Power Consuming Access Devices/Laptops".

Bei dem indischen "Unter-100-Dollar-Laptop" muss es sich also nicht unbedingt um ein tragbares oder mobiles Gerät handeln. Eine Studie namens TinyPC, die Wissenschaftler der niederländischen TU Delft 2007 anlässlich einer Konferenz in Japan veröffentlicht hatten, betrachtet beispielsweise ein Internet-Zugangsgerät ohne Display, das zum Anschluss an ein Fernsehgerät gedacht ist. Mit XScale-(ARM-)CPU, 16 MByte RAM, 2 MByte internem Flash-Speicher und 1-GByte-USB-Stick, WLAN-Chip sowie passendem Linux-Derivat gingen die Wissenschaftler 2007 von 50 US-Dollar Herstellungskosten aus.

Ein solcher TinyPC wäre damit erheblich billiger als die aktuelle Version des Laptops XO, der ebenfalls für Bildungszwecke vom OLPC-Projekt entwickelt wurde und mit einem x86-Prozessor von AMD arbeitet. Dessen vor vier Jahren auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos angekündigter Zielpreis von 100 US-Dollar wurde bisher bei Weitem nicht erreicht.

Die indische Regierung steht dem OLPC-Projekt kritisch gegenüber, allerdings laufen mehrere OLPC-Projekte in dem riesigen Land. Grundsätzlich dürfte Indien, ebenso wie China, erhebliches Interesse daran haben, möglichst viele Komponenten eines Billigstcomputers im eigenen Land zu fertigen. China kann mittlerweile eigene (MIPS-)kompatible Prozessoren fertigen, etwa den im Jee-PC verbauten Ingenic JZ4730 oder den Loongson-2, von dem auch STMicroelectronics eine Variante als STLS2F01 fertigt. Wie der auch unter vielen anderen Namen angebotene und in Deutschland für 179 Euro inklusive Mehrwertsteuer verkaufte Jee PC beweist, kommt man mit einem MIPS-Prozessor und billigsten Notebook-Komponenten dicht an den bisherigen Preis des XO heran.

Indien hat bisher allerdings keine eigene, international konkurrenzfähige Prozessorproduktion, arbeitet aber daran. In Bezug auf Software dürfte es in Indien aber keinerlei Mängel an Ressourcen geben. Laut der taiwanischen Digitimes liegen bei taiwanischen Notebook-Herstellern keine Informationen über den indischen 10- oder auch 20-Dollar-Laptop vor. Der OLPC wird in Taiwan hergestellt, ebenso wie Intels Classmate PC. Mit dem Simputer, der sich später als gar nicht so billiger PDA entpuppte, war ein ähnliches indisches Projekt allerdings schon früher gescheitert. (pmz/c't) / (ciw)