Infrastruktur-Chef der Bahn: "So wie bisher geht es nicht weiter"

Berthold Huber, bei der Bahn für die Infrastruktur verantwortlich, räumt ein, den kritischen Zustand der Infrastruktur bis vor kurzem unterschätzt zu haben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 64 Kommentare lesen
Hauptbahnhof Hamburg

Seltenes Bild am Hauptbahnhof Hamburg: Kaum Züge, relativ wenig Menschen. Er gilt als der meistfrequentierte Bahnhof Deutschlands.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 3 Min.

"Zu voll, zu alt, zu kaputt" – so beschrieb Berthold Huber, Infrastruktur-Vorstand der Deutschen Bahn, nach eigenen Worten gegenüber Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) den Zustand der Bahn. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung räumt Huber ein, bis 2020 die Folgen des kritiischen Zustands der Infrastruktur unterschätzt zu haben. Als nach der Coronavirus-Pandemie die Fahrgäste zurückkamen, sei ein Kipppunkt erreicht worden. "Die Pünktlichkeiten nahmen rapide ab, immer mehr Anschlüsse wurden verpasst", sagte Huber. "So wie bisher geht es nicht weiter."

Die Bahninfrastruktur sei am Anschlag, "wir fahren mehr, als das Netz verkraftet. Da passt keine Maus mehr auf die Schiene", sagte Huber. 2024 werde als erste Strecke die meistbefahrene Verbindung zwischen Frankfurt am Main und Mannheim generalsaniert. Dort habe es in diesem Jahr bisher keinen Tag ohne Störung gegeben. Wenn dort im Dezember 2024 die Züge wieder zuverlässig fahren, werde das viele Routen verbessern.

Die Deutsche Bahn hatte vor einem Jahr angekündigt, Bauarbeiten am Schienennetz wegen überalteter Anlagen und mangelnder Kapazität künftig zu bündeln. Über die nächsten Jahre sollen zunächst die Korridore mit höchster Auslastung saniert werden. Zu dieser Generalsanierung gehört auch, die Strecken zu digitalisieren, unter anderem mit dem Zugbeeinflussungssystem European Train Control System (ETCS). Bis 2030 sollen rund 4200 Streckenkilometer für den "digitalen Bahnbetrieb der Zukunft" ausgerüstet sein.

Um Wissings Forderung nachzukommen, auch kurzfristig besser zu werden, will die Bahn laut Huber noch in diesem Jahr 650 Bahnhöhe verbessern. Sie sollen zum Beispiel bessere Informationssysteme für Reisende bekommen, Unterführungen sollen verschönert werden, Bahnsteige erhöht. "Unser Ziel ist es auch, die Bahnhöfe in den großen Städten zu Mobilitätsdrehscheiben zu machen – und mit Fahrradparkhäusern auszurüsten", sagte Huber. Bis Ende dieses Jahres sollen 2000 Kilometer Gleise, 1800 Weichen und 200 Brücken erneuert sein. Außerdem wolle die Bahn 3000 Fachkräfte einstellen, Bauprojektplaner und -überwacher. 500 zusätzliche Sicherheitskräfte sollen Schienen und Anlagen besser schützen.

Zu der Frage, ob die Politik schuld am erhöhten Sanierungsbedarf sei, mochte sich Huber nicht direkt äußern. Ein Ziel der Bahnreform vor 30 Jahren sei jedenfalls gewesen, den Bundeshaushalt zu entlasten. Das Netz sei deshalb jahrelang auf Kosteneffizienz ausgerichtet worden. Nun habe der Bund die Bahn als entscheidenden Faktor für die Verkehrs- und Klimawende erkannt und stelle die Weichen auf Wachstum.

Eine Trennung der Geschäftsbereiche der Bahn, wie sie die Monopolkommission, Bundesrechnungshof und CDU/CSU fordern, würde für Huber kein einziges Problem lösen. "Die besten Eisenbahnen, wie in der Schweiz, sind integriert. Andere haben die Trennung aus gutem Grund wieder rückgängig gemacht", sagte Huber. Die Monopolkommission hatte gefordert, dass es künftig eine Gesellschaft gibt, die den eigentlichen Zugverkehr organisiert. Eine unabhängige Firma solle für die 33.000 Kilometer Schienennetz zuständig sein. Diese wäre nur daran interessiert, ein gut ausgelastetes und funktionierendes Netz zu haben.

(anw)