Inverssuche: Google liefert Polizei Nutzerdaten auf Basis von Suchbegriffen

US-Gerichtsdokumente zeigen, dass Google nach einer Brandstiftung Ermittlern Informationen über Nutzer gegeben hat, die zuvor nach der Tatort-Adresse suchten.

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Google

(Bild: BigTunaOnline/Shutterstock.com)

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Google assistiert Strafverfolgern mit weitgehenden Formen der Datenanalyse in Suchhistorien von Nutzern. Der US-Konzern gibt der Polizei dabei – zumindest in den USA – auch Informationen heraus, die auf einer Inverssuche basieren. Ermittler können so mit einer gerichtlichen Anordnung personenbezogene Daten von Anwendern erfragen, die nach einem bestimmten Schlüsselwort wie der Adresse eines Tatorts gesucht haben und damit verdächtig sind.

Normalerweise hat die Polizei erst einen Verdächtigen und bemüht sich dann bei Internetfirmen um Auskünfte zu dessen Online-Tätigkeiten. Auf die bereits genutzte Option zur Rückwärtssuche machte jetzt der Detroiter Reporter Robert Snell aufmerksam und veröffentlichte dazu auf Twitter einschlägige Gerichtsdokumente. Es geht darin um die Verhaftung eines Mitarbeiters und Verwandten des Sängers R. Kelly, der eine Klage wegen einer Sexualstraftat am Hals hat. Bei dem Teammitglied, Michael W., klickten die Handschellen nun im August, weil es angeblich in Florida den SUV eines Zeugen in Brand gesteckt haben soll.

Die Ermittler brachten Michael W. mit der Tat sowie der Beeinflussung von Zeugen in Verbindung, nachdem sie eine Durchsuchungsanordnung an Google geschickt hatten. Darin forderten sie Informationen über Nutzer an, "die nach der Adresse des Wohnhauses in der Nähe der Brandstiftung gesucht hatten". Den im Juli eingereichten Antrag der Polizei gab das zuständige Gericht am Dienstag frei.

Laut den von Snell publizierten Papieren stellte Google den Fahndern die IP-Adressen von Personen zur Verfügung, die nach der Adresse des Brandopfers suchten. Die Ermittler konnten eine davon aus dem US-Bundesstaat Georgia mit einer Telefonnummer von Michael W. verknüpfen. Sie nutzten dann die Aufzeichnungen von Verbindungs- und Standortdaten rund um den Tatort, um festzustellen, dass das Mobiltelefon des Verdächtigen zum entsprechenden Zeitpunkt in der Nähe der Brandstiftung eingebucht war.

Im Anschluss schickten die Strafverfolger Google einen weiteren Beschluss speziell für das Nutzerkonto von Michael W. Dabei stellten sie fest, dass er Formulierungen und Fragen in die Suchmaschine eingegeben hatte wie: "Wo kann ich ein gewöhnliches .50-Maschinengewehr kaufen", "Einschüchterung von Zeugen" und "Länder, die keine Auslieferung mit den Vereinigten Staaten haben".

Die zuvor getätigte Inversabfrage ist vergleichbar mit einer Rückwärtssuche bei der Telefonauskunft. Dabei fragt der Anrufer nicht – wie sonst üblich – eine Rufnummer auf Basis eines Namen und einer Adresse ab. Stattdessen sucht er nach Name und Anschrift des Nutzers einer ihm allein bekannten Rufnummer. Solche Auskunftsersuchen waren in Deutschland aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben lange verboten. Auch heute noch gelten dafür erhöhte Schranken. Anschlussinhaber können zudem für sich beantragen, von dem Suchverfahren ausgenommen zu werden.

In den USA ist die jetzt bekannt gewordene, angeblich schon öfter praktizierte Schlüsselwort-Variante umstritten. Entsprechende Anordnungen umgingen die vom vierten Verfassungszusatz garantierten Möglichkeiten zur Kontrolle der polizeilichen Überwachung, meinte Albert Fox Cahn, Direktor des Surveillance Technology Oversight Project, gegenüber dem US-Magazin "CNet". "Wenn ein Gericht einen Daten-Dump von jeder Person genehmigt, die nach einem bestimmten Begriff oder einer Adresse gesucht hat, ist das wahrscheinlich verfassungswidrig."

Google war zuvor bereits in die Kritik geraten, weil der Konzern auch sogenannten Geofence-Ersuchen nachgekommen ist, auf deren Basis die Polizei laut US-Gerichten eine unzulässige mobile Rasterfahndung durchführen konnte. Wenn der Suchmaschinenbetreiber seinem Versprechen nachkomme, und Suchhistorien nach einer gewissen Zeit tatsächlich richtig anonymisieren würde, könnte er die in solchen Fällen begehrten Daten gar nicht herausgeben, monierte Jennifer Lynch von der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF).

"Wir verlangen einen Durchsuchungsbefehl und drängen darauf, den Geltungsbereich solcher besonderen Forderungen einzuschränken, wenn sie zu weit gefasst sind", hielt Richard Salgado, Googles Direktor für Strafverfolgung und Informationssicherheit, dagegen. Anfragen für Inverssuchen machten weniger als ein Prozent der gesamten Gerichtsanordnungen aus. Ein Anwalt von Michael W. kündigte an, die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Polizei und Googles gerichtlich überprüfen lassen zu wollen. Die Auswirkungen dieses Ermittlungsansatzes höhlten die Privatsphäre der Betroffenen völlig aus.

(wid)