Justizministerium: Ganzheitliches Vorgehen gegen Hass im Netz nötig

Das NetzDG gilt nicht mehr für große Plattformen, doch die Justiz führt darauf basierende Bußgeldverfahren gegen Telegram und X fort und setzt auf Kontosperren.

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(Bild: Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com)

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Das Setzen der hiesigen Politik auf eine nationale Meldepflicht für strafrechtlich relevante Inhalte auf Google, Meta mit Facebook und Instagram, TikTok und Twitter im Kampf gegen Hass und Hetze hat sich zwar spätestens mit dem Greifen des Digital Services Act (DSA) mit EU-weiten Vorgaben zunächst für die großen Plattformen als weitgehend illusorisch herausgestellt. Das hierzulande einschlägige Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) soll zudem bald größtenteils aufgehoben werden. Dennoch stecken hiesige Strafverfolger den Kopf nicht in den Sand. So führt das Bundesamt für Justiz (BfJ) etwa die bereits eingeleiteten Bußgeldverfahren gegen Telegram und X (vormals Twitter) wegen Verstößen gegen das NetzDG auch nach Anwendbarkeit des DSA fort.

Das BfJ stellte gegen den offiziell in Dubai sitzenden Telegram-Betreiber bereits zwei Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 5,125 Millionen Euro aus. Dieser wird in Deutschland von einer Anwaltskanzlei vertreten, die Einspruch eingelegt hat. Die juristische Auseinandersetzung läuft noch. Beim Verfahren gegen X geht es um den Vorwurf des systemischen Versagens im Beschwerdemanagement zu überwiegend antisemitischen Äußerungen. Das Bundesjustizministerium (BMJ) betonte dazu gegenüber heise online: Mit dem Verfolgen dieser Fälle "trägt das BfJ weiterhin im Rahmen der geltenden Zuständigkeiten zur Bekämpfung von Hass im Internet bei".

Generell begrüßt das Ressort von Minister Marco Buschmann (FDP), dass mit dem DSA erstmalig in der EU einheitliche Regeln in diesem Bereich gelten. Die Verordnung finde "für sämtliche Vermittlungsdienste Anwendung", also nicht nur für soziale Netzwerke. Bei der Meldepflicht knüpfe der DSA aber "an Straftaten an, die sich unmittelbar oder mittelbar gegen Individualrechtsgüter richten" und bleibe so hinter den einschlägigen Vorgaben aus dem NetzDG zurück. Für die Überwachung und Durchsetzung der Pflichten aus dem DSA seien die EU-Kommission und irische Behörden zuständig, da die großen Plattformbetreiber dort ihre europäischen Hauptsitze haben.

Auch nach dem DSA müssten die Anbieter Beschwerden von Nutzern entgegennehmen und diesen abhelfen, erläutert das BMJ. Ferner seien für die Entfernung einzelner rechtswidriger Inhalte die Gefahrenabwehrbehörden der Länder und Landesmedienanstalten zuständig. An diese könnten sich Nutzer wenden, sofern der betroffene Betreiber nicht tätig werde. Das BfJ sei mit dem Greifen des DSA für große Plattformen nicht mehr der richtige Ansprechpartner und leite einschlägige Meldungen, die weiterhin eingehen, an eine von der Kommission bereitgestellte "funktionale E-Mailadresse" weiter. Für alle anderen, kleineren Social-Media-Anbieter bleibe das NetzDG bis zum 17. Februar 2024 anwendbar. Das BfJ nehme für diese weiterhin Meldungen zu Verstößen entgegen und bearbeite sie.

"Der Kampf gegen Hass im Internet erfordert ein ganzheitliches Vorgehen", hebt das BMJ zudem hervor. Man wolle es daher mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt Betroffenen erleichtern, "selbst gegen strafbare Inhalte im Netz vorzugehen". Dafür sei es vor allem notwendig, dass diese von Online-Plattformen "einfacher Auskunft über die Identität der rechtswidrig handelnden Nutzer erhalten können". Ferner sollten zeitlich begrenzte Account-Sperren bei schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen möglich werden. Die Arbeiten an einem solchen Entwurf seien im Gang.

(akn)