"Kein Big-Brother-Projekt": EU-Kommission steckt Rahmen für digitalen Euro ab

In einem Gesetzentwurf umreißt die EU-Kommission erstmals die Bedingungen für den Einsatz eines digitalen Euros. Offline soll er so anonym sein wie Bargeld.

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(Bild: peterschreiber.media/Shutterstock.com)

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Geht es nach der EU-Kommission, soll Bürgern und Unternehmen in wenigen Jahren – frühestens ab 2028 – ein digitaler Euro als gesetzliches Zahlungsmittel zur Verfügung stehen. Die Brüsseler Regierungsinstitution hat dazu am Mittwoch einen Verordnungsentwurf veröffentlicht, mit dem sie den rechtlichen Rahmen für die Digitalwährung absteckt. Sie will damit sicherstellen, dass Einzel- und Rechtspersonen ergänzend zu den bereits bestehenden Angeboten privater Unternehmen eine zusätzliche Option haben, mit einer "weithin akzeptierten, kostengünstigen, sicheren und widerstandsfähigen Form öffentlichen Geldes im Euro-Währungsgebiet digital bezahlen" zu können.

Viele Bürger wünschen sich, dass die schon seit Längerem erwogene europäische Digitalwährung genauso anonym verwendbar ist wie Bargeld. Sie sorgen sich vor allem um die Privatheit ihrer Zahlungen. Der digitale Euro "schließt volle Anonymität" zwar aus, schreibt die Kommission in dem Vorschlag, der vorab bereits nach außen gedrungen war. Trotzdem soll er ein hohes Maß an Privatsphäre garantieren. Mairead McGuinness, Kommissarin für Finanzdienstleistungen, versicherte: Das vorgestellte digitale Zahlungsmittel werde "kein Big-Brother-Projekt".

"Der Zugriff auf Ihre personenbezogenen Daten und deren Verarbeitung erfolgt hauptsächlich durch die Bank oder den Zahlungsdienstleister, bei dem Sie ein digitales Euro-Konto führen", erläutert die Kommission in einer Frage-Antwort-Liste zu dem Verordnungsvorschlag. "Wie bereits heute bei privaten Zahlungskonten benötigt Ihre Bank Zugriff auf Ihre persönlichen Daten, um Ihr Zahlungskonto zu verwalten, Zahlungen durchzuführen und Betrug und Geldwäsche vorzubeugen." Die Vorschriften dazu hat die EU in den vergangenen Jahren ständig erweitert und auch verschleierten Geldflüssen bei Kryptowährungen wie Bitcoin den Kampf angesagt.

Beim Digitaleuro unterscheidet die Kommission nun zwischen einem Online- und Offline-Einsatz. Bei ersterem, wo Geld direkt übers Internet ausgetauscht wird, Zugriff auf personenbezogene Daten erhalten, die zur Durchführung einer Zahlung sowie zur Betrugs- und Geldwäschebekämpfung erforderlich sind. Dies sei bei anderen digitalen Zahlungsmitteln bereits genauso der Fall.

Bei der Offline-Nutzung des digitalen Euro soll die eigene Bank dagegen nur "den gleichen Datenumfang sehen wie bei der Verwendung von Bargeld". Sie wüsste also, wenn jemand digitale Euros auf ein zugehöriges Konto einzahlt oder abhebt beziehungsweise sie in ein lokales Speichergerät nebst Wallet lädt oder etwas davon abzweigt. Dieses "hohe Maß an Privatsphäre ist dasselbe wie beim Abheben von Banknoten an Geldautomaten", erklärt die Kommission. Was Nutzer konkret kaufen, wohin Zahlungen gehen sowie andere Details zu Transaktionen blieben der Bank verborgen.

Ausgegeben werden soll der digitale Euro von der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie wickelt dem Plan nach Überweisungen zwischen einzelnen Zahlungsdiensten ab. Es soll aber eine Obergrenze für die Menge an Digitaleuros geben, die eine Person besitzen darf. Im Gespräch waren bislang etwa 3000 Euro. Die Kommission legt hier keine Summe fest. Mit dem Limit soll verhindert werden, dass die Digitalwährung jenseits der Geschäftsbanken gehortet und als Geldanlage genutzt wird. Auf Guthaben in digitalen Euros soll es daher auch keine Zinsen geben.

Die EZB soll trotzdem nicht in der Lage sein, einzelne digitale Euro-Nutzer zu identifizieren, und auch nicht herausfinden können, was Anwender mit ihrem Geld machen. Sie wird der Skizze nach nur Zugriff auf verschlüsselte Daten und auch nur in dem Umfang haben, wie dies zur Abwicklung digitaler Euro-Transaktionen und zur Unterstützung von Zahlungsdienstleistern bei der Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Es würden "modernste Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen eingesetzt, um zu gewährleisten, "dass Daten nicht zur direkten Identifizierung eines bestimmten digitalen Euro-Nutzers durch die EZB und die nationalen Zentralbanken verwendet werden können".

Konkret verweist die Kommission hier auf "Pseudonymisierung oder Verschlüsselung" als zwei mögliche technische Lösungen für den Erhalt der Privatsphäre und der Gewährleistung einer teilweisen Rückverfolgbarkeit. Eine Pseudonymisierung lässt sich beim Rückgriff auf größere Bestände etwa von Transaktionsdaten mit Big-Data-Analysen aber oft leicht aufheben. Fabio Panetta, einer der EZB-Direktoren, brachte daher bereits "Anonymitätsgutscheine" ins Spiel, um das Dilemma zu lösen. Nutzer könnten diese ihm zufolge so ausgeben, dass Zahlungen "vom System nicht verfolgt" werden. Einer "uneingeschränkten Anonymität" steht aber auch die Notenbank skeptisch gegenüber.

Funktionieren soll der digitale Euro wie eine digitale Geldbörse. Er könnte in verschiedenen Wallets wie die für die geplante Europäische digitale Identität (EUid) gespeichert werden. Banken und andere Zahlungsdienstleister in der gesamten EU sollen die Digitalwährung bereitstellen. "Grundlegende Dienste" im Zusammenhang damit will die Kommission für Privatpersonen kostenlos halten. Um die finanzielle Inklusion zu fördern, könnten Personen, die kein Bankkonto haben, bei einem Postamt oder einer anderen öffentlichen Einrichtung wie einer lokalen Behörde, ein Konto eröffnen und unterhalten.

Händler im gesamten Euro-Währungsgebiet sollen verpflichtet werden, den digitalen Euro anzunehmen. Eine Ausnahme ist vorgesehen etwa für den Tante-Emma-Laden, der sich prinzipiell gegen die Annahme digitaler Zahlungen entscheidet, da die Kosten für die Einrichtung einer neuen Infrastruktur für die Annahme von Zahlungen in digitalem Euro unverhältnismäßig hoch wären. Programmierbar soll der Digitaleuro nicht sein. Dafür hatten auch schon die EU-Finanzminister gedrängt, um das europäische Vorhaben von Kryptowährungen wie Ethereum abzugrenzen. Es soll also keine Zusatzfunktionen geben, über die sich etwa "Smart Contracts" abwickeln ließen.

Den Bedarf für einen digitalen Euro begründet die EU-Kommission unter anderem damit, dass sich immer mehr Menschen dafür entscheiden, digital zu bezahlen. Dabei griffen sie vor allem auf Karten und Anwendungen zu, die von Banken sowie von Finanzunternehmen und Digitalunternehmen aus Drittstaaten zur Verfügung gestellt würden. Es wäre mit dem Blick auf die Souveränität sinnvoller, digitale Zahlungen auf eine europäische Infrastruktur zu stützen, betonte Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Dort wären sie etwa vor Cyberangriffen besser geschützt.

Schon mehr als hundert Zentralbanken weltweit bereiten laut Dombrovskis auch die Möglichkeit vor, digitale Währungen zu schaffen. Der Euro dürfe hier als zweitbeliebteste Währung in der Welt nicht hinten anstehen; eine digitale Version müsse geschaffen werden, um Europa fit zu machen fürs vernetzte Zeitalter. Mehrfach betonte Dombrovskis, dass es sich bei dem Entwurf nur um einen ersten Schritt handle, den die Kommission in enger Abstimmung mit der EZB, Mitgliedsstaaten und Interessenvertretern ausgearbeitet habe. Er gehe nun ins normale Gesetzgebungsverfahren. Der EZB obliegt es im Anschluss, die technischen Details festzulegen und zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt ein Digitaleuro ausgegeben werde.

Zugleich hat die Kommission einen Gesetzesvorschlag gemacht, um die Rolle des Bargelds zu wahren. Er soll sicherstellen, dass Münzen und Scheine als Zahlungsmittel weithin akzeptiert werden und Bürger und Unternehmen im gesamten Euro-Währungsgebiet leicht zugänglich bleiben. Eine Evaluierung wird demnach zeigen, ob die Mitgliedsstaaten dafür angesichts schließender Bankfilialen und abgebauter oder gesprengter Geldautomaten Maßnahmen durchführen müssen. Wirtschafts- und Währungskommissar Paolo Gentiloni will damit ein Signal an die Bevölkerung senden: "Bargeld wird hochgehalten als Zahlungsmittel" und müsse weithin akzeptiert werden, was derzeit nicht einmal in den Kantinen der Kommission und des EU-Rats der Fall ist. Der Digitaleuro sei nur ein Zusatz.

Andreas Martin aus dem Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) mahnte am Dienstag in Berlin, die Kreditwirtschaft dürfe mit dem geplanten Digitalgeld nicht zum "Erfüllungsgehilfen" eines öffentlich gemanagten Zahlungssystems werden. Die Politik müsse klar festlegen, wo das Mandat der EZB und wo die Rolle der privaten Marktpartner beginne. Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland (HDE) sprach sich für den digitalen Euro aus: Der Staat müsse die Hoheit über Zahlungssysteme erhalten. Diese dürften nicht von einem privaten digitalen Investor in den Markt gebracht werden. Es gehe dabei auch um die Schnittstelle zum Verbraucher und seiner Daten.

Oliver Hommel, Geschäftsführer des Zahlungsdienstleisters Euro-Kartensysteme, hält dagegen wenig von der These, dass der Digitaleuro der einzige Weg zur europäischen Souveränität im Zahlungsverkehr sei. Wie in Deutschland mit der Girocard gebe es etwa in Frankreich und Italien mit Bancomat schon eigene bargeldlose Systeme mit hohen Marktanteilen. Darauf könne die Kreditwirtschaft mit offenen Standards aufbauen und eine eigene Technologieentwicklung vorantreiben. Es gelte, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren dafür stärker mit EU-Partnern zu vereinfachen.

(axk)