Millionenbeute zurückgeholt: Gericht lässt Smart Contract umprogrammieren​

Seite 2: 30-Minuten-Wartezeit schützt nicht

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Erst nach dieser Veröffentlichung hat Oasis-Betreiber Oazo App eine kurze Stellungnahme veröffentlicht: "Am 21. Februar haben wir eine Anordnung des High Court for England and Wales erhalten, alle notwendigen Schritte zu setzen, die zum Abruf bestimmter Assets (…) führen würden. Das wurde (…) mit Oasis-Schlüsseln und einer vom Gericht autorisierten Partei umgesetzt. Wir können auch bestätigen, dass die Assets sogleich an ein Wallet der autorisierten Partei übertragen wurden."

Aber hätte der Vault-Inhaber nicht eine halbe Stunde Zeit gehabt, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, bevor die Code-Änderungen greifen? Jein. Die Warteschleife beruht ja auch nur auf Softwarecode. Der erste Schritt der Umprogrammierung war daher, die Wartezeit von 30 Minuten auf null herunterzusetzen. Also musste der Vault-Inhaber seiner Entreicherung machtlos zusehen.

In der Welt der Kryptozocker ist der Eingriff vom 21. Februar ein Tabubruch. Die Branchenphilosophie stellt darauf ab, frei von äußeren Einflüssen zu sein. Niemand soll eigenmächtig über die Assets Dritter entscheiden oder Transaktionen rückgängig machen – selbst wenn das hilft, Verbrechensopfer zu entschädigen. Die Oasis-Betreiber haben hier nicht einmal versucht, den Gerichtsbeschluss zu bekämpfen, sondern ihn noch am selben Tag umgesetzt – und sich erst dann dazu geäußert, als ein Außenstehender auf die Vorgänge aufmerksam machte. Warum sollen sie auch eigenes Geld in so ein Verfahren stecken.

Den Gerichtsbeschluss selbst oder auch nur sein Aktenzeichen hat Oazo Apps nicht veröffentlicht. Eine Anfrage heise onlines lässt die Firma bislang unbeantwortet. Die englische Justiz erteilt ohne Angabe des Aktenzeichens keine Auskunft. Daher kann heise online den Inhalt des Gerichtsbeschlusses bislang nicht verifizieren.

Der High Court of England and Wales ist inzwischen durchaus mit Kryptowährungsthemen vertraut und geht dabei auch kreativ vor. In einem anderen Verfahren [2023] EWHC 340 (KB) hat das Gericht im Februar entschieden, Dokumente mittels Airdrop in bestimmte Wallets zuzustellen. Damit wird ein als NFT-Dieb vermuteter Ausländer offiziell über das gegen ihn angestrengte Verfahren informiert. Damit darf das Gericht ohne sein Mittun entscheiden.

Der in England lebende australische Computerwissenschaftler Craig Wright führt an dem Gericht mehrere parallele Verfahren. Wright behauptet, Bitcoin unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto erfunden zu haben. Auf diese nicht bewiesene Behauptung aufbauend wirft er verschiedenen Parteien Urheberrechtsverletzungen vor, darunter mehreren Bitcoin-Blockchains, die sich von der ursprünglichen Bitcoin-Blockchain abgespalten haben, auch dem Betreiber einer Webseite, der das ursprüngliche Bitcoin-Whitepaper zum Download anbietet.

Zudem prozessiert Wright als Opfer eines Diebstahls von Schlüsseln zu Bitcoin-Wallets. Er möchte wieder auf seine Bitcoin zugreifen können, und verlangt, dass dafür vier verschiedene Bitcoin-Blockchains umprogrammiert werden. Der High Court of England and Wales hat das Verfahren als aussichtslos eingestellt, doch das zuständige Berufungsgericht hat entschieden, dass Wrights juristische Theorien nicht aussichtslos sind und das Erstgericht das Verfahren weiterführen muss. Vielleicht müssen Bitcoin-Programmierer also bald die Blockchain manipulieren.

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Angesichts dieser Entscheidung des übergeordneten Berufungsgerichts ist es keine Überraschung, dass der High Court of England and Wales nun die Umprogrammierung von Smart Contracts anordnet. Das Verbrechensopfer Jump Crypto ist dadurch teilweise entschädigt worden.

(ds)