MP3-Tauschbörsen: Des einen Leid ist des anderen Freud

Nachdem die richterlichen Entscheidung zur Stilllegung der Online-Tauschbörse Napster bekannt wurde, wanderten die Anwender zur Konkurrenz ab und formieren sich zum Boykott der amerikanischen Musik-Industrie.

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Von
  • Markus Stöbe

Ab Freitag Nacht darf Napster keine Urheberrechtlich geschützten Musik-Dateien mehr vermitteln, entschied ein US-Gericht am Mittwoch. Kurz nachdem die Entscheidung von Richterin Marilyn Hall Patel bekannt und noch bevor über den Widerspruch von Napster entschieden wurde, erlebten andere Online-Tauschbörsen wie beispielsweise Gnutella oder Scour.net einen enormen Zustrom von Anwendern.

Aber nicht alle Anwender laufen zur Konkurrenz über: Auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite rufen Napster-Fans zum Boykott der Recording Industry Association of America (RIAA) und angeschlossener Plattenlabels auf. Im August sollen die Teilnehmer der Protestaktion keine CDs von Mitgliedern der RIAA kaufen, Protestbriefe an den Verband schicken und – sofern dies noch nicht geschehen ist – sich die Napster-Software besorgen. Die Initiatoren distanzieren sich jedoch von der Unterstützung der Musik-Piraterie: Sie wollen mit ihrem Protest darauf hinweisen, dass mit der Stilllegung der Tauschbörse unabhängigen Musikern die Chance genommen wird, ihre Musik zu veröffentlichen.

Gnutella & Co. kämpfen unterdessen mit dem Anwenderzustrom. Einige Rechner, die im Gnutella-Netz aktiv sind, mussten direkt nach der Urteilsverkündung abschalten, um die Kapazitäten zu erhöhen. In nur einer Stunde verzeichntete beispielsweise gnutella.wego.com 30.000 neue Anwender – inzwischen ist der Server aber wieder am Netz. Als besonders kritisch schätzen die Betreiber den heutigen Freitag ein: An diesem Tag könnte eine neue Flutwelle von tauschwilligen Surfern für Probleme sorgen; Napster hat seit seinem Start im letzten Jahr ungefähr 20 Millionen MP3-Fans angezogen.

Richterin Patel, die die einstweilige Verfügung gegen Napster erlassen hat, sowie die RIAA sehen die Situation mit gemischten Gefühlen. "Gnutella ist die nächste Herausforderung für uns. Aber wenigstens ist das keine Firma, die ihren Profit aus dem illegalen Handel mit geschützer Musik ziehen will", erklärte Cary Sherman, Berater der RIAA.

Die Richterin mußte sich unterdessen den Vorwurf der unfairen Behandlung gefallen lassen, denn die anderen Dienste bieten in etwa das Gleiche wie Napster an. "Die RIAA wird sich mit den verbleibenden Firmen gesondert beschäftigen müssen. Bisher steht nur Napster unter Anklage, was aber nicht heißt, dass ich Napster deswegen nicht verurteilen könnte", verteidigte Patel ihre Entscheidung. Eine endgültige Entscheidung im Fall Napster wird erst gegen Ende des Jahres erwartet; über den Widerspruch von Napster gegen die einstweilige Verfügung, den die Tauschbörse einlegte, soll noch heute entschieden werden.

Siehe dazu auch: Schöner tauschen: Napster und seine Freunde und Schöner tauschen. Napsters Konkurrenten - zentralisierte Tauschbörsen in Telepolis. (mst)