Microsoft-Prozess ohne die Stars der ersten Runde

Beobachter des Kartellprozesses gegen Microsoft sind skeptisch, ob die Regierung das Berufungsverfahren wird gewinnen können.

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Von
  • Christian Rabanus

Mit der Veröffentlichung der Stellungnahme Microsofts zur ersten Runde im Kartellprozess gegen den Software-Riesen, die dieser mit Pauken und Trompeten verloren hatte, startete gestern die gerichtliche Auseinandersetzung vor dem Berufungsgericht des Bezirks Columbia. Die Stars der Regierungsseite aus der ersten Runde sind allerdings nicht mehr mit von der Partie.

Im US-Justizministerium hatte der damals stellvertretende Generalstaatsanwalt und Leiter der Antitrust-Abteilung Joel Klein alle Fäden in der Hand. Seine Chefin, Janet Reno, hielt sich mit öffentlichen Äußerungen über den Fall stark zurück. Klein schied aber Ende September aus der Antitrust-Abteilung aus, sein Nachfolger ist Douglas Melamed.

Auch Staranwalt David Boies tritt nicht mehr für das Justizministerium auf. Boies, der in letzter Zeit neben seinem Funktion als Chef-Ankläger im Microsoft-Prozess auch durch die gerichtliche Vertretung der Internet-Tauschbörse Napster in Prozesse der IT-Branche verwickelt war, hat sich anderen Fällen zugewandt: Im Rechtsstreit um den Ausgang der US-Prädsidentschaftswahl in Florida vertritt er den demokratischen Kandidaten Al Gore.

Allerdings meinen Prozess-Beobachter, dass das Ausscheiden von Klein und Boies die Chancen der US-Regierung und der ebenfalls klagenden Bundesstaaten auf einen Erfolg vor dem Berufungsgericht nicht unbedingt schmälert. Klein und Boies, die beide sehr medienwirksame Auftritte inszenieren konnten, waren vor allem in der ersten Runde von großer Bedeutung, weil sie es schafften, ihre Position auch in der öffentlichen Meinung weitgehend durchzusetzen und damit Stimmung gegen Microsoft zu entfachen. Während aber beispielsweise der Antitrust-Anwalt Mark Ostrau Boies' Argumentationsstil für ein Berufungsverfahren eher ungeeignet findet, wie er in einem Gespräch mit CNet ausführte, meint der Rechtsprofessor William Kovacic, dass die Fixierung der öffentlichen Wahrnehmung auf Klein und Boies dem Arbeitsklima im Team der Anklage auf Dauer nicht gut tun würde.

Zwar sieht Ostrau Kleins Stärken sogar vor allem im Berufungsbereich, allerdings meint er, dass auch Kleins Nachfolger Melamed sehr gut mit Berufungsverfahren umgehen könne, vielleicht sogar kampfeslustiger in das Verfahren gehen werde als Klein. Kovacic allerdings sieht für die Regierung wenig Chancen, auch das Berufungsverfahren zu gewinnen. Zwar ist er der Ansicht, dass das Berufungsgericht das Urteil aus der ersten Instanz nicht gänzlich verwerfen wird, aber er hält eine deutliche Verwässerung für wahrscheinlich.

Wie sich das Verfahren weiter entwickelt, wird sicher auch von dem Ausgang der Präsidentschaftswahl abhängen. George Bush jr. hatte bereits im Vorfeld der Wahl angedeutet, dass er den Fall nicht um jeden Preis weiterführen wolle. Als Republikaner vertritt er sowieso eine eher wirtschaftsfreundliche Position. Er ist auch Microsofts Wunschkandidat im Weißen Haus und konnte sich über millionenschwere Wahlkampfhilfe freuen. Zwar könnte auch Bush jr. nicht den Prozess einfach abblasen, er kann aber seine Anklagevertreter dazu anhalten, auf eine außergerichtliche Einigung zu drängen.

Die Verzögerungen bei der Klärung des Wahlausgangs halten aber derzeit den demokratischen Anklagevertretern noch den Rücken frei. Bis zum 12. Januar 2001 müssen sie eine Erwiderung auf das Schriftstück von Microsoft eingereicht haben. Dieses wird höchstwahrscheinlich noch ganz auf der Linie der bisherigen Anklage liegen und wohl auch deutlich von Melamed geprägt sein. Ein personeller Wechsel bei der Vertretung des Staats im Kartellprozess, selbst im Falle von Bushs Wahlsieg, noch vor der mündlichen Verhandlung, halten Prozessbeobachter für unwahrscheinlich.

Letztlich dürfte für Microsoft auch viel wichtiger sein, sich nicht mehr mit Richter Thomas Penfield Jackson konfrontiert zu sehen. Schon 1997 hatte Jackson in einem anderen Verfahren eine Verfügung gegen Microsoft ausgesprochen, die dem Software-Konzern den Verkauf vom Windows 95 mit integriertem Internet-Browser verbot. Allerdings wurde diese Verfügung wenig später von eben dem Berufungsgericht, vor dem sich auch jetzt wieder das US-Justizministerium und Microsoft gegenüber stehen, kassiert. Unter den sieben Berufungsrichtern sich auch zwei Richter, die schon 1998 zugunsten Microsofts entschieden. Wie aus der vorliegenden Stellungnahme Microsofts hervorgeht, in der vor allem Richter Jackson in die Schusslinie gerückt wird, hofft der Konzern auch jetzt wieder auf eine ähnlich günstige Entwicklung. (chr)