Microsoft rechnet mit Googles Widerstand gegen Pakt mit Yahoo

Microsoft und Yahoo wollen kommende Woche Kartellwächter über die Einzelheiten ihrer geplanten Zusammenarbeit unterrichten. Nun wird spekuliert, wie sich Google verhalten könnte und welche Auswirkungen das Geschäft auf den Gesamtmarkt haben wird.

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Microsoft-Chef Steve Ballmer ist davon überzeugt, dass der Konkurrent Google die angestrebte Partnerschaft des Softwareriesen mit Yahoo torpedieren wird. Laut Medienberichten sagte Ballmer auf einer Telefonkonferenz, die er zusammen mit Yahoo-Chefin Carol Bartz abgehalten hat, das Geschäft werde dem Markt mehr Wettbewerb bescheren. Dennoch werde Google Widerstand leisten. Die beiden Unternehmen wollen das Vertragswerk kommende Woche den Kartellwächtern in den USA und in der EU aushändigen. Das Geschäft soll möglichst Anfang kommenden Jahres in trockenen Tüchern sein.

Nach monatelangem Hin und Her hatten Microsoft und Yahoo gestern eine Kooperation auf dem Markt für Onlinewerbung und -suche bekannt gegeben. Microsofts Bing soll die alleinige Suchmaschine für die Yahoo-Seiten werden. Yahoo soll dafür exklusiv den Vertrieb für alle Online-Suchanzeigen für Premium-Kunden beider Firmen übernehmen. Microsofts AdCenter soll darüber hinaus die übrigen Online-Suchanzeigen verwalten. Der Vertrag über die Zusammenarbeit ist auf 10 Jahre ausgelegt; Microsoft erhält für diesen Zeitraum eine Lizenz für Yahoos Such-Techniken, um sie in eigene Anwendungen und in Bing einzubauen.

Da Google am europäischen Markt für bezahlte Suchergebnisse einen Anteil von 92 Prozent habe, rechnet Ballmer vor allem hier nicht mit wettbewerbsrechtlichen Problemen. In den USA brächten Microsoft und Yahoo es zusammen auf 25 bis 30 Prozent Marktanteil. Microsofts Chef-Justiziar Brad Smith ergänzte, Google habe weltweit 78 Prozent Marktanteil. Er könne sich nicht an ein Unternehmen mit einer derartigen Vormacht erinnern, das das Zusammengehen kleinerer Konkurrenten verhindern wollte. Google werde aber seine eigenen Entscheidungen treffen.

Google selbst sei zunächst einmal an mehr Informationen über das Microsoft-Yahoo-Geschäft interessiert, schreibt Eweek. Die WSJ-Kolumnistin Kara Swisher berichtet aus Google-Kreisen, der Konzern könne sich zunächst abwartend verhalten vor dem Hintergrund, dass die Kartellwächter das Geschäft ähnlich kritisch beäugen werden wie das zwischen Google und Yahoo voriges Jahr geplante.

Wie der Deal zwischen Yahoo und Microsoft nun zu beurteilen ist, darüber gehen die Meinungen – kaum überraschend – auseinander. Während die einen eine ernsthafte Konkurrenz für Google heraufziehen sehen, glauben andere nicht daran, dass der Zusammenschluss zweier Verlierer positive Effekte auf die beiden Unternehmen oder die Situation bei Internet-Anwendungen, Online-Anzeigen und Suchmaschienen hat. Klar dürfte lediglich sein, dass die Verbraucher weniger Wahlmöglichkeiten haben, wenn einer der Konkurrenten im Internet den Kern seines bisherigen Auftritts, die eigene Suchmaschine, aufgibt.

Google habe keinen Grund zur Sorge, meint jedenfalls der Kommentator der New York Times. Das Microsoft-Yahoo-Geschäft werde an den Kräfteverhältnissen zunächst nichts ändern. Microsoft könne innerhalb der Partnerschaft profitieren, wenn das Unternehmen möglichst andere Kunden als Yahoo habe, da sich dann der Pool derjenigen vergrößere, die um Werbeplätze mitsteigerten. Google werde nur das Nachsehen haben, wenn Microsoft mit Hilfe von Yahoo seinen Bing-Marktanteil steigern könnte, doch danach sehe es angesichts der Dominanz und der besseren Technik Googles derzeit nicht aus.

Für Bartz ist das Geschäft wegen der zu erwartenden Traffic Acquistion Costs (TAC) attraktiv, wie die Yahoo-Chefin sagte. In den ersten fünf Jahren der Zusammenarbeit soll Yahoo 88 Prozent an den Einnahmen erhalten, die über Suchanzeigen auf Yahoo-Seiten hereinkommen. Eine Vorauszahlung Microsofts wäre vom operativen Standpunkt aus nicht hilfreich, wichtiger für die Kostendeckung und Investitionen sei ein bedeutender TAC-Anteil. Der Deal bringe dem Unternehmen jährlich 500 Millionen Dollar mehr Einnahmen und verhelfe zu 200 Millionen Dollar Kosteneinsparungen. Dank der Kooperation könne sich Yahoo nun auf die wichtigsten Aufgaben konzentrieren, beteuert Bartz in ihrem Weblog.

Doch Bartz, die im Mai noch davon sprach, Microsoft müsse Bootsladungen Geld mitbringen, hat mit dem Verhandlungsergebnis, laut dem Microsoft keine Vorauszahlungen zahlen muss, Aktionäre enttäuscht, analysiert das Wall Street Journal. Neben der Schwierigkeit, den Anteilseignern die Partnerschaft mit Microsoft schmackhaft zu machen, habe sie auch Unruhe in die Belegschaft gebracht. Es könne sein, dass Yahoo-Mitarbeiter zu Microsoft wechseln müssen oder aufgrund von Synergieeffekten entlassen werden. Der Internet-Unternehmer und Blogger Jason Calacanis meint gar, Yahoo habe unter dem Druck Microsofts Selbstmord begangen. Da Yahoo aus eigenem Verschulden aus dem Rennen um die Online-Werbemarktanteile ausgeschieden sei, Google und Microsoft sich mit allen Mitteln beharken würden, sei dies die Chance für Startups mit guten Geschäftsideen.

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(anw)