Milia: Microsoft will den Fernsehmarkt mit IPTV erobern

Der Softwareriese umwirbt Programmanbieter und Telcos mit seiner Internet-TV-Lösung, die eng mit dem Windows Media Center verknüpft sein soll.

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Microsoft hat heute auf der Milia in Cannes Details zu seinen Plänen für die Eroberung des Fernsehmarktes vorgestellt. Der Softwaregigant will mit IPTV (Internet Protocol TV) einen vollständigen TV-Dienst anbieten, der auch auf großen Flachbildschirmen ein gutes Bild machen soll. Die Plattform ist als Backend-Pendant zum Windows Media Center gedacht, neuen Clientlösung für Wohnzimmer-PCs. Microsoft möchte IPTV als interaktive, auf die Interessen von Programm- und Breitbandanbietern zugeschnittene Softwareumgebung positionieren, mit dem sich Inhalte maßgeschneidert vertreiben und etwa mit vorgefertigten, auf der Hardware der Nutzer gespeicherten Musik- oder Filmbibliotheken verbinden lassen.

Als weitere Vorteile sieht Microsoft, dass die auf der Verbraucherseite installierten Empfangsgeräte "nur noch eine Ethernet-Schnittstelle" brauchen, betonte Erik Huggers, Director of Business Development in der Windows Digital Media Division von Microsoft Europe. Weitere Settop-Box-Lösungen seien nicht erforderlich. Die Netzbetreiber würden zudem Bandbreite sparen, da bei IPTV Microsofts Kompressionsstandard Windows Media Video für den Media Player 9 zum Einsatz kommt. Im Vergleich zu MPEG-2 oder -4 würden sich so die Datenmengen um zwei Drittel verringern lassen. In diesem Zusammenhang trommelte Huggers auch kräftig für das mit dem Format verbundene Digital-Rights-Management-System (DRM), um den Contentprovidern den Übergang in die digitale Welt schmackhaft zu machen. "Unser großes Thema ist es", betonte der Manager, "Ihnen als Rechteinhabern die Möglichkeit zu verschaffen, mehr Kunden zu erreichen." Das Windows-Media-DRM biete einen hohen Schutz und sei im Notfall einfach zu erneuern.

Auch bei der Demo von IPTV betonten die Microsoft-Manager bei jeder Gelegenheit, dass natürlich nur "legal erworbene" Inhalte abgespielt würden. Ansonsten lässt sich mit der Lösung wie auf einem PC in Sekundenschnelle zwischen Kanälen umschalten oder das Programm pausieren. Ein Electronic Programm Guide ist ebenfalls an Bord. Darüber könnten die Anbieter eigene TV-Streams, Inhalte für Video-on-Demand oder sonstigen Content zusammenführen und mit Möglichkeiten zum digitalen Videorecording verknüpfen. Unterstützt würden so verschiedenste Businessmodelle der Programmanbieter: Der Schwerpunkt, erklärte Huggers, liege zwar sicher auf Bezahldiensten. Aber auch Werbung und Sponsoring einzelner Sender bleibe möglich. In diesem Fall würden natürlich die Aufzeichnungsmöglichkeiten unterbunden.

Auf die Frage, ob IPTV mit universellen, offenen Schnittstellen wie MHP (Multimedia Home Platform) verbunden werde, antwortete Huggers ausweichend: "Wir glauben an offen programmierbare Plattformen", sagte er, MHP sei daher eine Option unter mehreren. Man werde mit der Industrie zusammenarbeiten, um Interoperabilität zu gewährleisten. Ob Microsoft mit IPTV nach langen Lehrjahren und entgegen vieler Unkenrufe endlich im Fernsehmarkt Fuß fassen kann, wird auch vom Ausgang von Tests wie dem mit der Swisscom-Tochter Bluewin abhängen.

Von France Telecom holte sich der Softwareriese jedenfalls gleich eine Abfuhr. Patricia Langrande, frisch gebackene Chefin der Content-Abteilung des Carriers, führte aus, dass ihr Haus bei seinem Einstieg ins Fernseh- und Video-on-Demand-Geschäft über die Plattform MaLigne TV auf den nicht so stark komprimierenden, aber dafür mehr Qualität bietenden MPEG-2-Standard setzen wird. Das sei die "einzige erprobte Technik auf dem Markt". Und auf Bandbreite müsse man bei France Telecom nicht sonderlich achten: "70 Prozent der Haushalte in Frankreich können wir über DSL mit 6 Megabit pro Sekunde anschließen". Auch beim Kopierschutz setzt Langrande, der zufolge Abonnenten von MaLigne TV die erforderlichen Settop-Boxen geschenkt bekommen, auf Eigenentwicklungen. (Stefan Krempl) / (jk)