Mini-AKW: Brennstoff könnte für Atombomben geeignet sein

Für neuartige Reaktoren wird mit höher angereichertem Uran geplant. Das könnte zu Material für mehr Atomwaffen führen, warnen Forscher des MIT.

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Schemazeichnung eines neuen Atomreaktors

Reaktortyp neuester Generation: der SMR AP300 von Westinghouse.

(Bild: Westinghouse)

Lesezeit: 3 Min.

Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) warnen davor, dass der für neuartige Atomreaktoren wie den "Small Modular Reactor" (oder Mini-AKW) gedachte Brennstoff HALEU (High-Assay Low-Enriched Uranium) direkt für den Bau von Atombomben verwendet werden kann. Das hätten Tests ergeben. Die praktische Grenze für atomwaffenfähiges Material sei zu niedrig festgesetzt worden, schreibt ein MIT-Forschungsteam im Magazin Science.

Herkömmliche Atomreaktoren kommen mit einem Brennstoff aus, der bis zu 5 Prozent Uran-235 angereichert wird. Ab 20 Prozent 235U werde die Isotopenmischung als hochangereichertes Uran (HEU) bezeichnet und international als direkt für Atomwaffen geeignet anerkannt. Nun fordern die Forscher, Uran sollte schon ab 10 bis 12 Prozent Anreicherung als ebenso gefährlich eingestuft werden wie HEU. Brennmaterial aus einem einzigen SMR würde ausreichen, um eine Atombombe zu bauen, die stärker wäre als die Bombe, die im Zweiten Weltkrieg Hiroshima zerstörte.

Regierungen unterstützten mit Milliarden an Fördergeldern das Interesse an HALEU, schreiben die Forscher. Die britische Regierung hatte im Januar dieses Jahres ausdrücklich diese Art Brennstoff in ihrer Roadmap für die Stromerzeugung erwähnt. Ihr höheres Anreicherungsniveau werde für die nächste Generation von Atomreaktoren benötigt. Die Forscher halten dem entgegen, dass solche Regierungen und andere Befürworter nicht sorgfältig bedacht hätten, dass solch waffenfähiges Material beispielsweise auch in die Hände von Terroristen gelangen kann. Die seit 70 Jahren laufenden Bemühungen, Atomwaffen zu verhindern oder deren Verbreitung einzudämmen, würden so unterlaufen.

HALEU wird nicht nur als Brennstoff für SMR geplant. Die DARPA, Forschungszweig des US-Verteidigungsministeriums, hat mit dem Rüstungskonzern Lockheed Martin vereinbart, eine experimentelle Demonstrationsrakete mit einem nuklearen thermischen Antrieb zu entwickeln und zu bauen. Das dafür notwendige HALEU soll das US-Energieministerium bereitstellen.

Zudem hat die US-Regierung die Unternehmen BWX Technologies und X-energy beauftragt, einen transportablen nuklearen Mikroreaktor zu entwickeln. Der von BWXT-Konzept sieht eine gasgekühlte Hochtemperaturanlage vor, die wie andere neue Reaktorkonzepte mit tristructural-isotropic (triso) HALEU betrieben werden soll. "Triso" bedeutet, der Kernbrennstoff besteht aus dreifach ummantelten Kugeln, erläutert die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Zurzeit verfügten nur China und Russland über HALEU-Produktionskapazitäten.

Großbritannien will bis Anfang der 2030er-Jahre eine solche Produktion betriebsbereit haben. Das soll am Standort des Unternehmen Urenco in Capenhurst bei Liverpool geschehen. Für die Entwicklung der dafür nötigen Uranzentrifugen ist die Urenco-Tochter UTD zuständig, die in Gronau sitzt, sowie ETC in Jülich. Darüber zeigten sich im Januar dieses Jahres die Ärzteorganisation für die Verhütung des Atomkriegs besorgt: "Weitgehend unbeachtet von der deutschen Öffentlichkeit treiben Atommächte wie Großbritannien, aber auch Frankreich und die USA ihre Pläne voran, höher angereicherte, kompaktere Kernbrennstoffe herzustellen, die dann auch militärisch genutzt werden können", schreibt die "International Physicians for the Prevention of Nuclear War". Die Bundesregierung müsse verhindern, dass sich auch Urenco-Töchter in NRW insgeheim an solchen Vorhaben beteiligen.

(anw)