Missing Link: Science-Fiction und KI – der ewige Kampf zwischen Mensch und Maschine

Seite 2: Das Ende der menschlichen Evolution

Inhaltsverzeichnis

Die Veranstalter des Sci-fi-Festivals wollen mit solchen Beiträgen die Konsequenzen der Technik "für die Welt von morgen" ausloten. So zumindest kommentierte dies Direktor Alexander Pfander auf einem Panel zu KI und wissenschaftlichen Bruchstellen in Form von "Science Friction". Man habe im vorigen Jahr viele Filme rund um Künstliche Intelligenz gezeigt, die aber alle ein pessimistisches Szenario in sich getragen hätten. Den Filmemachern liege damit wohl am Herzen, gängige "Werte, die Moral und Erwartungen" in Frage zu stellen.

Mit ihren Darstellungen des Kampfs um die Seele der Menschen sind die Regisseure der kurzen Festivalbeiträge nicht allein. "Geschichten über menschenähnliche Roboter und denkende Maschinen in Büchern und Filmen haben die Vorstellungen über Künstliche Intelligenz (KI) entscheidend geprägt", schreibt Andreas Dyck. "Seit der Antike faszinieren Geschichten von künstlichen Wesen und dem menschlichen Schöpfungsakt - wie etwa bereits in der altjüdischen Sage vom Golem, einer menschenähnlichen Lehmfigur, die zum Leben erweckt wird und Befehlen folgt."

Über den Stummfilm Metropolis mit dem Maschinenwesen Maria über "2001: Odyssee im Weltraum", in dem der legendäre Bordcomputer HAL die fehleranfällige Besatzung eines Raumschiffs vernichten will, oder "Westworld" mit einem scharf um sich schießenden mechanischen Revolverheld bis hin zu den Replikanten aus "Blade Runner" und "Ex Machina" mit der von Alicia Vikander gespielten maschinellen Verführerin Ava werde KI in der Science-Fiction vor allem als Bedrohung beschrieben und bediene "diffuse Ängste" vor Kontrollverlust, Ohnmacht oder der menschlichen Unterlegenheit.

In vielen einschlägigen Filmen werden Androide auch von sehr lebendigen Akteuren gespielt, fast menschlicher als der Mensch gezeichnet oder als Maschinen mit Emotionen, die letztlich selbst ein Erdensohn werden oder die "Krone der Schöpfung" erringen wollen. Für die Bonner Medienforscherin Britta Hartmann wird so auch die Frage aufgeworfen, inwiefern künstliche Menschen Lebewesen sind und welche Rechte sie haben. Science-Fiction verhandele im Kern letztlich oft uralte Fragen nach Menschlichkeit, der eigenen Identität und ihrer Abgrenzung vom Fremden, ergänzt der Züricher Filmwissenschaftler Simon Spiegel. Zusammen mit dem Lebensrecht für künstliche Schöpfungen wird für ihn so auch etwa sinnbildhaft in Zweifel gezogen, "wie ethisch es ist, Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen".

Auch wenn die Wirklichkeit mit Piloten, die vergeblich gegen die automatische Steuerung kämpfen und den Tod hunderter Menschen nicht verhindern können, die Fiktion teils schon eingeholt hat: Mit der Arbeit von KI-Forschern hat das von der Technik in Sci-fi-Kassenschlagern gezeichnete Bild in der Regel wenig zu tun. Die Darstellung Künstlicher Intelligenz sei insbesondere in Science-Fiction-Filmen "häufig verzerrt", moniert Isabella Hermann, Koordinatorin eines Arbeitsbereichs über Verantwortung und maschinelles Lernen bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

Zugleich muss man sich laut der Forscherin aber auch bewusst machen, wie omnipräsent fiktionale KI in der Popkultur sei: "Die fleischlose Fratze des Terminators, die unschuldig dreinblickende Ava aus Ex Machina, das rot leuchtende Auge von HAL 9000 aus 2001: A Space Odyssey oder auch mal Dr. Will Caster alias Johnny Depp aus Transcendence - selbst, wer kein Fan des Science-Fiction-Genre ist, kommt kaum an diesen Filmfiguren vorbei."

(Bild: RichartPhotos / shutterstock.com)

Vor allem durch dystopische Science-Fiction-Filme wie Matrix oder Terminator "hat jeder eine sehr bildstarke Vorstellung davon, was passieren könnte, wenn intelligente Maschinen die Macht übernehmen", legt Frank Schmiechen auf dem Portal "Gründerszene" dar. In diesen Streifen ist die KI letztlich bestrebt, die Menschheit zu vernichten. Dabei sei die Matrix "wesentlich effizienter" als das hinter dem Terminator stehende smarte Netzwerk Skynet, konstatieren Filmexperten: "Sie hat den Menschen zu einer Energiequelle reduziert."

Kein Wunder also, dass auch Vordenker wie Tesla-Chef Elon Musk oder der Astrophysiker Stephen Hawking bereits immer wieder in die Rolle der Kassandra geschlüpft sind und vor dem Ende der Menschheit wegen intelligenter Maschinen gewarnt haben. Musk sieht im Wettbewerb um die Vorherrschaft bei KI auf nationaler Ebene "den wahrscheinlichsten Auslöser des Dritten Weltkriegs". Hawking befürchtete: Wenn Menschen Computerviren programmieren könnten, werde auch jemand KI so designen, dass sie sich optimiert und selbst vervielfältigt. Daraus hervorgehen werde "eine neue Lebensform", die dem Menschen leistungsmäßig überlegen sei.

Viele dieser Filme und der damit hervorgerufenen Ängste sind für Hermann aber "mehr eine Projektionsfläche für menschliche Sehnsüchte und Urängste als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Chancen und Herausforderungen von KI-Anwendungen". In Berlin sprach die Politikwissenschaftlerin von einem "Frankenstein-Paradox": Der Mensch strebe danach, Kreaturen zu erschaffen, vor denen er sich eigentlich fürchte. Der Wunsch, etwas Menschenähnliches oder gar Übermenschliches zu erschaffen und damit einhergehend die Sorge um Kontrollverlust und Fremdbeherrschung seien wiederkehrende Grundthemen des Genres.

Dazu komme oft ein kräftiger Schuss Gesellschaftskritik, hat die KI-Expertin herausgefunden: "Roboter und Maschinen dienen als Stilmittel, um uns Zuschauern einen Spiegel vorzuhalten." Oft repräsentierten sie etwa marginalisierte oder diskriminierte Gruppen, die nicht nur im Film schlecht behandelt würden. Ex Machina sei in diesem Sinne "eher eine feministisch angehauchte Emanzipationsgeschichte, in der sich ein weibliches Opfer von seinem perversen Peiniger befreit".