NRW-Minister Reul: Buschmann kommt bei Vorratsdaten "nicht aus dem Quark"

Bundesjustizminister Buschmann lasse Ermittler "in Sachen Kinderpornografie" allein, moniert NRW-Innenminister Reul. Datenschutz stehe nicht über Sicherheit.

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(Bild: FlashMovie/Shutterstock.com)

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Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul wirft der Bundesregierung vor, "seine" Ermittler "in Sachen Kinderpornografie" allein zu lassen. "Wir doktern in Deutschland mittlerweile seit Jahrzehnten an der Vorratsdatenspeicherung herum", beklagt der CDU-Politiker im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Das Bundesverwaltungsgericht und der Europäische Gerichtshof (EuGH) hätten dazu in einschlägigen Urteilen "eindeutige Hinweise gegeben, wie das rechtssicher gehen kann". Doch vor allem Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) komme in der Sache "nicht aus dem Quark".

Prinzipiell hat der EuGH wiederholt eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung verworfen. Das allgemeine und unterschiedslose Aufbewahren von IP-Adressen kann den Luxemburger Richtern neueren Urteilen zufolge aber für "die Bekämpfung schwerer Kriminalität und die Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit" zulässig sein. Das Bundesverwaltungsgericht entschied in diesem Sinne im September, dass die von Schwarz-Rot ins Telekommunikationsgesetz (TKG) eingefügte Pflicht für Diensteanbieter zum verdachtsunabhängigen monatelangen Speichern von Verbindungs- und Standortdaten "in vollem Umfang unvereinbar" ist mit EU-Recht. Vom EuGH grundsätzlich als machbar erklärte Ausnahmen spiegelten sich im TKG nicht wider.

Buschmann interpretierte das Urteil aus Leipzig als "Auftrag, die Vorratsdatenspeicherung nun zügig aus dem Gesetz zu streichen – und die digitalen Bürgerrechte in unserem Land weiter zu stärken". Im Rechtsstaat dürften nicht alle Bürger unter Generalverdacht gestellt werden. Der Liberale hat bereits einen Alternativvorschlag für das Einfrieren von Verkehrsdaten im Verdachtsfall (Quick Freeze) vorgelegt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kämpft dagegen für eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen und Portnummern, für die sich nun auch Reul starkmacht.

"Terror wird heute im Netz geplant und abgesprochen", wirbt der NRW-Innenminister in der NOZ weiter für mehr Befugnisse für die Polizei und Geheimdienste. "Eine große Telefonüberwachung hilft uns heute kaum noch weiter. Welcher junge Mensch telefoniert heute noch ganz klassisch?" Anschläge würden in sozialen Netzwerken, auf WhatsApp oder in Chats von Online-Spielen geplant. Das mache es für die deutschen Sicherheitsbehörden deutlich schwerer, Einblicke zu bekommen. Die Politik müsse Fahnder und Verfassungsschutz daher "mit entsprechenden Mitteln ausstatten, sonst verlieren wir den Anschluss".

Den Vergleich mit Sicherheitsbehörden anderer Länder findet Reul aber unangebracht: "Es ist aus meiner Sicht gut, dass wir in Deutschland anders als in den USA oder Israel nicht alle Daten abfischen und auswerten." Das sei aber kein Plädoyer für Schwarz-Weiß-Denken beim Absichern der Privatsphäre. Es gelte darüber zu debattieren, dass Datenschutz zwar wichtig sei, aber "nicht zum Sicherheitsrisiko werden" dürfe: "Es geht um Menschenleben." Das Recht müsse daher mit den technischen Entwicklungen mithalten.

Zugleich räumt der Christdemokrat aber auch ein: "Wir sind im Netz mit Polizei und Verfassungsschutz technisch, rechtlich und personell noch lange nicht gut genug aufgestellt." Reul ist seit 2017 Innenminister in NRW, muss sich also fragen lassen, was er selbst in dieser Hinsicht vor Ort bewegt hat. Auf diesem Gebiet anzusetzen, hält er jedenfalls für vielversprechender, als sich in Diskussionen über Verbote sozialer Netzwerke wie TikTok oder Telegram "zu verlieren".

(bme)