Nach Routerfreiheit: Freie-Software-Aktivisten fordern volle "Geräteneutralität"

Nutzer verlören zunehmend die Kontrolle über ihren wachsenden digitalen Gerätepark, warnen Befürworter freier Software. Sie müssten wieder ermächtigt werden.

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(Bild: Semisatch/Shutterstock.com)

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Digitale Geräte wie Smartphones, Laptops, Tablets oder eine zunehmende Schar intelligenter tragbarer IT-Gadgets wie Smart Watches und Fitness-Armbänder gehören für viele Onliner zum Alltag. Doch "als Endnutzer verlieren wir zunehmend die Kontrolle über sie", beklagt die Free Software Foundation Europe (FSFE). Hersteller, Anbieter und Plattform-Betreiber übten "monopolistische Macht" über solche Apparate aus und schränkten deren Anwendungsoptionen "unangemessen ein, indem sie als 'Torwächter' zur digitalen Welt fungieren". Es sei daher an der Zeit, den Nutzern wieder zur Hoheit über ihre Geräte zu verhelfen, wobei freie Software eine Schlüsselrolle spiele.

Im Kern handle es sich bei Mobiltelefonen & Co. um Universalcomputer, erläutert die FSFE. Freie Software ermögliche die vollständige Nutzung dieser Hardware. Vor allem große Gatekeeper – aber auch andere Anbieter – könnten Nutzern aber die Ausführung von Programmen mit frei verfügbarem Quellcode und damit verknüpften Anwendungsfreiheiten auf ihren Geräten verbieten. Der Schutz freier Alternativen zu proprietären Betriebssystemen, Treibern, App Stores, Browsern und anderer Software sei daher "von entscheidender Bedeutung für die Wahlfreiheit und eine gesunde, wettbewerbsfähige, demokratische, vielfältige und nachhaltige digitale Gesellschaft".

Die FSFE hat daher eine Kampagne für "Geräteneutralität" inklusive einer begleitenden Webseite gestartet, mit der sie an Konzepte wie Netzneutralität und Routerfreiheit anknüpft. Die Initiative zielt laut der gemeinnützigen Institution darauf ab, "die Kontrolle des Endbenutzers über Geräte" und der darüber verarbeiteten Daten wiederherzustellen. Mittel zu diesem Zweck sei es, die Softwarefreiheit in den Apparaten zu gewährleisten sowie User vor "Lock-in-Methoden zu schützen". Endnutzer müssten die Möglichkeit haben, die Programme ihrer Wahl auszuführen und "Dienste unabhängig von der Kontrolle durch Hardwarehersteller, Anbieter und Plattformen" einzusetzen.

Einige Aspekte der Geräteneutralität werden großen Tech-Konzernen in der EU durch den Digital Markets Act (DMA) auferlegt, führt die FSFE aus. Diese Verordnung ist am Donnerstag in Kraft getreten. Sie soll ein höheres Maß an Wettbewerb auf digitalen Märkten wiederherstellen und etwa Interoperabilität sowie Datenportabilität zwischen einzelnen Diensten gewährleisten. Als Gatekeeper im Sinne des DMA hat die EU-Kommission zunächst Alphabet (Google), Amazon, Apple, ByteDance (TikTok), Meta und Microsoft eingestuft. Doch auch kleinere Unternehmen könnten sich "räuberisch gegen die Geräteneutralität verhalten", gibt die FSFE zu bedenken. Das Prinzip müsse daher "in einem viel breiteren Kontext" gesehen werden, für alle Tech-Firmen gelten und ein allgemeiner Standard werden.

Zugleich gilt es den Aktivisten zufolge, den DMA entschieden durchzusetzen. Schon bei der Routerfreiheit sei zu beobachten, wie Netzwerkbetreiber verschiedene Barrieren und Hürden für die Ausübung dieses Rechts aufbauten. Auch die vom DMA erfassten Gatekeeper dürften daher die Implementierung von Lösungen zu behindern suchen, die den Usern "in vollem Umfang zugute kommen". So sei etwa Apple schon vor Gericht gezogen, um die DMA-Verpflichtungen zu umgehen. Der iPhone-Bauer setze auf eine "absurde Strategie" gegen Drittanbieter von App-Stores wie F-Droid. Generell sei die Masche von Torwächtern bekannt, Nutzer in "Walled Gardens" wie eigenen Bezahlumgebungen zu halten, vernetzte Apparate an Online-Accounts zu koppeln und die Portierbarkeit von Daten zu behindern. Dies erschwere es Nutzern, "Software, Geräte und Services zu wechseln".

(bme)