Netze: EU-Telcos sehen Licht bei Glasfaser, aber viele Hürden

Sechs von zehn Europäern hatten Ende 2023 Zugang zu FTTH, meldet der Netzbetreiberverband ETNO. Doch bei 5G und der Cloud hinke die EU gerade Asien hinterher.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 18 Kommentare lesen

(Bild: StudioProX/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der europäische Netzbetreiberverband ETNO zieht in seinem am Dienstag veröffentlichen Bericht zum "Stand der digitalen Kommunikation 2024" ein "bittersüßes" Fazit: "Einerseits nimmt die Netzinnovation Fahrt auf und die Investitionen der europäischen Telekommunikationsbetreiber erreichen ein historisches Niveau", heißt es darin. Zugleich sei die finanzielle Lage des Sektors immer noch schwierig. Helfen könnte dabei Big Tech, die endlich für die Netznutzung zahlen sollen.

In dem Bericht meldet der ETNO einige Fortschritte: Das Internet werde für die Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherheit immer wichtiger. Daher haben die Telekommunikationsinvestitionen einen Rekordwert von 59,1 Milliarden Euro erreicht. Zudem hatten mit 63,4 Prozent prinzipiell rund sechs von zehn Europäern Ende 2023 Zugang zu Glasfaser bis zur Wohnung (FTTH). Die Vorjahresquote lag bei 55,6 Prozent. Zum Vergleich: Südkorea kam hier 2023 auf eine Abdeckung von 59,9 Prozent, die USA auf 49,3 Prozent.

Die Ziele der EU für die digitale Dekade sehen aber eine erschwingliche und schnelle Netzanbindung überall und für alle bis 2030 vor. Davon sei man noch weit entfernt, räumt der Verband ein. In Europa konnten 2023 knapp 80 Prozent der Haushalte einen Gigabitanschluss buchen, im Gegensatz zu 97 Prozent in Südkorea, 89,6 Prozent in den USA und 81,4 Prozent in Japan. Angesichts dieser Zahlen schätzt der ETNO, dass bis zum Ende des Jahrzehnts immer noch fast 10 Prozent der europäischen Bevölkerung keinen Zugang zu einem Gigabitanschluss übers Festnetz haben werden.

Gemischte Ergebnisse weist der ETNO auch für den Mobilfunk aus. 5G erreicht 2023 in Europa 80 Prozent der Bevölkerung, gegenüber 73 Prozent im Vorjahr. Der Kontinent blieb damit aber immer noch hinter all seinen globalen Mitbewerbern zurück: In Südkorea und in den USA liegt die 5G-Bevölkerungsabdeckung bei 98, in Japan bei 94 und in China 89 Prozent. Die mittlere mobile Downlink-Geschwindigkeit in Europa war mit 64,1 MBit/s niedriger als in den USA (97,1 MBit/s), in Südkorea (121,1 MBit/s) und in China (171,6 MBit/s). Europa hat auch insgesamt eine geringere mobile Datennutzung.

Stand August 2023 kamen zudem nur zehn der 114 in Europa betriebenen 5G-Netze ohne Rückgriff auf 4G (LTE) aus. In Asien gab es 17 solcher 5G-Standalone-Kernnetze, in Nordamerika nur vier. Im Bereich des offenen Mobilfunkstandards Open RAN, mit dem sich Teile der bisher von proprietärer Hardware ausgeführten Funktionen als Software virtualisieren lassen, zählt Europa elf Versuche und Einsätze und liegt damit vor Nordamerika mit acht, aber hinter Asien und Japan mit 19. Im Zukunftsmarkt Edge-Cloud-Infrastrukturen, in denen die Rechenkapazität nahe an den Endbenutzer wandern soll, zählte Europa 2023 vier kommerziell verfügbare Angebote und lag damit hinter den Regionen Asien-Pazifik (17 Angebote) und Nordamerika (9 Angebote).

Die Umsätze des Sektors seien – gemessen am durchschnittlichen Umsatz pro Nutzer – "nach wie vor die schwächsten aller globalen Mitbewerber", schlägt der ETNO insgesamt Alarm. Auch die Finanzierungsmöglichkeiten könnten sich abschwächen, zumal der europäische Markt weiter sehr fragmentiert sei. ETNO-Generaldirektorin Lise Fuhr mahnt daher mit Blick auf die von der EU-Kommission geplante neue Strategie für digitale Netzwerke "dringende politische Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Telekommunikationssektors" an.

Der Verband hält daher etwa an seinem Appell fest, eine Infrastrukturabgabe für große Plattformbetreiber wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix für den Glasfaser- und 5G-Ausbau einzuführen. Nachdem eine EU-Konsultation dafür keine Mehrheit erbrachte, verweist der ETNO nun mit dem Lowering Broadband Costs for Consumers Act auf einen US-Gesetzesentwurf, der in die gleiche Richtung gehe.

Die Computer & Communications Industry Association (CCIA Europe), in der viele Big-Tech-Konzerne Mitglied sind, hat parallel ein Weißbuch veröffentlicht, wonach das "blinde" Festhalten an potenziell bereits überholten Digitalzielen nichts bringt. Der Verband fordert die EU auf, "sich mit den technologischen Lösungen der Zukunft" zu befassen. Es gelte etwa, die Breitbandversorgung durch Satelliten und Open-RAN zu diversifizieren, Content Delivery Networks und Unterseekabel auszubauen und offene Peering-Richtlinien für eine effizientere Internetverbindung zu fördern. Wichtig sei es auch, die Nachhaltigkeit von Netzwerken im Einklang mit dem Green Deal voranzutreiben.

(vbr)