Nord Stream: EU soll bei kritischen Infrastrukturen mit der NATO kooperieren

Die EU-Kommission schlägt eine Arbeitsgruppe mit der NATO vor, um Kritis besser zu schützen. Abgeordnete wollen Namen der Pipeline-Schuldigen.​

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Sechs große Wasserrohre führen einen Abhang hinab hin zu einem Turbinenhaus

Kraftwerke sind kritische Infrastruktur

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Einen koordinierten Ansatz zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastrukturen (Kritis) empfiehlt die EU-Kommission. Die Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten sollen den Vorschlag in Bälde im Ministerrat annehmen und umsetzen. Die Initiative, mit der die Kommission vor allem auf die von ihr ausgemachten Sabotageakte gegen die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee reagiert, sieht verstärkte Zusammenarbeit mit "wichtigen Partnern und Nachbarländern" für Kritis-Resilienz vor.

Die Kommission und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sollen laut der Empfehlung die Koordination mit der NATO im Rahmen des gemeinsamen strukturierten Dialogs über den Kritis-Schutz verstärken und zu diesem Zweck eine Task Force einrichten. Der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) jüngst angekündigte und jetzt veröffentlichte Aktionsplan sieht ferner vor, dass die EU-Staaten Kritis-Einrichtungen etwa im Energie-, Banken und Kommunikationssektor auf Grundlage gemeinsamer, auf EU-Ebene entwickelter Grundsätze Stresstests unterziehen.

Die eindeutige Identifizierung einschlägiger Infrastrukturen und deren Betreiber sowie eine gemeinsame Verpflichtung zu ihrem Schutz "liegen im Interesse aller Mitgliedstaaten", wirbt die Kommission für ihren Kurs. Die Überprüfungen sollen durch einen Leitfaden für Zwischenfälle und Krisen bei kritischen Infrastrukturen ergänzt werden, Zusammenarbeit soll regelmäßig geübt werden.

Der Entwurf des Leitfadens enthalte die Vorgabe, Bürger rechtzeitig zu informieren, erläuterte Margaritis Schinas, der als Kommissionsvizepräsident für die Förderung der europäischen Lebensweise verantwortlich ist, im Plenum des EU-Parlaments bei einer Fragerunde. Der Auswärtige Dienst arbeite parallel an einem Werkzeugkasten gegen hybride Bedrohungen, die neben physischen Angriffen Cyberattacken und Propaganda umfassen.

Abgeordnete wie Bart Groothuis und Billy Kelleher von den Liberalen wollten wissen, ob damit neben Pipelines auch Unterseekabel für das Internet besser geschützt würden. Es sei fraglich, ob die Kommission überhaupt eine Übersicht habe, welche Leitungen bereits ausspioniert werden.

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Mehrere Volksvertreter, darunter der Sozialdemokrat Juan Fernando López Aguilar, forderten die Kommission auf, endlich die Schuldigen für die Angriffe auf die Nord-Stream-Pipeline zu benennen. Es sei ein Skandal, dass Schweden die Explosionen nicht gemeinsam mit Deutschland untersuchen wolle und Untersuchungsergebnisse zurückhalte.

Er persönlich wolle "nicht Detektiv spielen", hielt Schinas dem entgegen, "Wir müssen uns auf die Behörden verlassen, die diese Nachforschungen anstellen." Wenn das Parlament die Novelle der Richtlinie über die Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS2) bald annehme sowie die Gespräche über das geplante Cyberresilienzgesetz vorantreibe, werde ein doppelter Schutzschirm physisch und digital aufgespannt. Die Empfehlung sehe auch vor, dass die Mitgliedsstaaten Informationen stärker teilen sollten. Dafür sei aber Vertrauen wichtig.

Auch auf großangelegte IKT-Angriffe und Erpressungen mit Ransomware sei die EU mittlerweile besser vorbereitet, versicherte der Kommissionsvizepräsident. Die Ukraine zeige auf diesem Gebiet, wie erfolgreiche Selbstverteidigung funktionieren könne. Sie mache das "mithilfe ihrer Freunde", zu denen die EU gehöre. Wenn der Krieg beendet sei, werde es "viele Pilgerreisen" von IT-Sicherheitsexperten nach Kiew geben, prognostizierte Schinas. Alle wollten von diesem erfolgreichen Beispiel lernen.

Es sei schwierig, gerade in Osteuropa gegen russische Propaganda vorzugehen, monierte der bulgarische Parlamentarier Andrey Kovatchev. Facebook, Twitter, YouTube & Co verdienten Geld mit Desinformation und täten zu wenig dagegen. Etwa mit dem Digital Services Act (DSA) drohten hier künftig hohe Strafen für Plattformbetreiber, erwiderte der Kommissar. Er habe viele Big-Tech-Vertreter getroffen und den Eindruck gewonnen, sie hätten zunehmend begriffen, dass sie etwa auf russische Falschinformationen reagieren müssten.

(ds)