Nord Stream: Im Westen mehren sich Zweifel an der Schuld Russlands

Eine Täterschaft Russlands für die Sabotage an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 galt bislang als wahrscheinlich. Laut einem Bericht gibt es auch Zweifel.

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Wasserstrudel

(Bild: Swedish Coast Guard)

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Die Schuldfrage, wer durch Sprengstoffexplosionen die Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 erheblich beschädigt hat, ist zwar offiziell weiterhin ungeklärt. Inzwischen gibt es aber laut einem Medienbericht wohl auch in westlichen Ländern erste Zweifel, dass Russland dahintersteckt. Russland, das westliche Staaten der Täterschaft bezichtigt, hat indessen erneut gefordert, an den Ermittlungen beteiligt zu werden.

Die Washington Post beruft sich auf Aussagen verschiedener offizieller Vertreter und Beamter mehrerer Länder, die aber namentlich nicht genannt werden möchten. Befragt worden seien den Angaben zufolge 23 Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter in neun Ländern. Deren Worten zufolge gebe es bislang keine Beweise für eine Beteiligung Russlands. Ganz im Gegenteil fehlten sogar einige Puzzleteile.

Ein solches Indiz ist das Fehlen jeglicher abgehörter interner Kommunikation Russlands, die auf eine Beteiligung an der Sabotage schließen lässt. Während es westlichen Geheimdiensten Anfang des Jahres gelang, den Angriff auf die Ukraine korrekt vorherzusagen, weil entsprechende Informationen aus der Kommunikation zwischen russischen Beamten und den Streitkräften gewonnen werden konnten, gäbe es zu Nord Stream keine solchen Erkenntnisse.

Einige Ermittler seien inzwischen der Ansicht, dass es überhaupt nicht besonderer technischer Fähigkeiten bedurft habe, um die Sprengladungen in 70 bis 80 Metern Tiefe anzubringen und zur Detonation zu bringen. Zwischenzeitlich wurde vermutet, dass nur Staaten mit bestimmten U-Booten hierfür infrage kämen. Dass ein staatlicher Akteur hinter den Anschlägen steht, sei indessen aber aufgrund des Umfangs der Schäden unumstritten.

Grundsätzlich sei es sehr schwierig, unter Wasser geeignete Spuren zu finden, die eine eindeutige Zuordnung zulassen. Die Ermittlungen richten sich deshalb auch auf die Frage, wer ein Motiv haben könnte. Wurde zunächst unterstellt, dass Russland mit der Zerstörung einer kritischen Infrastruktur Europa einschüchtern wollte, mehren sich die Stimmen, die keinen konkreten Nutzen für Russland sehen. Stattdessen habe die Zerstörung von Nord Stream Russland ein Druckmittel und eine wichtige Geldquelle genommen. Auch wenn Russland selbst die Gaslieferungen vor dem Anschlag am 26. September schon eingestellt hatte, habe es vielleicht spekuliert, diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen zu können. Schließlich beliefert Russland auch weiterhin das westliche Europa mit Erdgas – inzwischen aber nur noch mit Land-Pipelines, die durch andere Länder führen.

Nach den drei Explosionen am Meeresgrund, die vier Lecks in drei der insgesamt vier Stränge der beiden Pipelines rissen, sicherten Ermittler aus Schweden und Dänemark vor Ort Spuren und fanden Sprengstoffrückstände. Die erste Explosion habe sich den Ermittlungen zufolge mitten in der Nacht südöstlich der Insel Bornholm ereignet. Die anderen beiden folgten erst mehr als zwölf Stunden später nordöstlich der zu Dänemark gehörenden Insel.

Dass die Ermittlungen ergebnislos bleiben könnten, löse in Europa Besorgnis aus. Schließlich könnten die Staaten ihre Schutzbemühungen für kritische Infrastruktur wie Pipelines und Seekabel deutlich verbessern, wenn sie wüssten, mit wem sie es zu tun haben. Unklar bleibt auch, wie es mit den stark beschädigten Pipelines am Meeresboden weitergeht. Die Betreibergesellschaft von Nord Stream 1, die das Ausmaß der Schäden selbst in Augenschein nehmen wollte, hat sich seit Mitte November nicht mehr geäußert.

(mki)