Untersuchungen an Nord Stream 2: Jetzt schaut der Betreiber in die Röhre

Eine von vier Röhren der beiden Nord Stream-Pipelines könnte noch funktionstüchtig sein. Die Bundesregierung hat Zweifel. Außerdem gäbe es alternative Wege.

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Ein Foto vom Bau der Pipeline Nord Stream 2

Luftaufnahme vom Bau der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2

(Bild: Nord Stream 2 AG)

Lesezeit: 4 Min.

Die durch einen Sabotageakt schwer beschädigten Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 sollen jetzt erstmals durch ein Spezialschiff der Betreiberunternehmen untersucht werden. Zumindest bei der niemals in Betrieb gegangenen Nord Stream 2 sehen die Betreiber laut Medienberichten eine Chance, dass eine der beiden Röhren noch intakt und einsatzbereit sein könnte. Russland hätte aber jetzt schon funktionierende Alternativen und nutzt sie nicht, argumentiert die Bundesregierung.

Ende September waren nach einem rapiden Druckabfall nahe der dänischen Insel Bornholm vier Lecks an den Pipelines entdeckt worden. Nord Stream 1, die von einem Konsortium aus Mehrheitseigner Gazprom, Wintershall Dea, PEG Infrastruktur AG (E.ON), N.V. Nederlandse Gasunie und Engie betrieben wird, wurde zu dem Zeitpunkt zwar schon nicht mehr für Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland genutzt. Die Durchleitung war von der russischen Gazprom mit Hinweis auf Reparaturbedarf eingestellt worden. Die Bundesregierung bezweifelt die von Gazprom angegebenen Gründe und geht stattdessen von politischen Motiven aus.

Aus betrieblichen Gründen sind die Pipelines selbst im Ruhezustand mit Gas befüllt. Untersuchungen haben ergeben, dass drei der vier Röhren schwer beschädigt wurden. Die zuständigen Ermittler der angrenzenden Staaten gehen von grober Sabotage aus.

Weitere Details wurden bis zum heutigen Tage von der Ermittlungsbehörden in Schweden und Dänemark nicht publik gemacht. Vor einer Woche teilten die Betreiber von Nord Stream 1 mit, dass ein gechartertes Spezialschiff am Ort der Beschädigung in schwedischen Gewässern eingetroffen sei. Nach Kalibrierungsarbeiten könne es mit der drei bis fünf Tage dauernden Untersuchung beginnen. Für Erkundungsarbeiten an den Lecks in dänischen Gewässern lag bis vergangene Woche noch keine Genehmigung der Behörden vor. Die Nord Stream AG hatte zuvor schon Anfang Oktober beklagt, dass die norwegische Regierung ein gechartertes Spezialschiff nicht für den Einsatz freigegeben hatte.

Die Nord Stream 2 AG, im Gegensatz zur Nord Stream 1 AG eine 100-prozentige Gazprom-Tochter mit Sitz in Zug (Schweiz), bestätigte den "Badischen Neuesten Nachrichten", dass sie ebenfalls ein Spezialschiff einzusetzen gedenkt, um Aufschluss über den Zustand der Anlagen zu erhalten. Ein Sprecher sagte dem Bericht zufolge, dass der Druck in der B-Röhre normal geblieben sei. Deshalb sei davon auszugehen, dass sie intakt geblieben ist. Die Bundesregierung geht indessen davon aus, dass sich die starken Explosionen am Meeresboden auch auf den zweiten Strang negativ ausgewirkt haben, heißt es in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der AfD.

Die Karte zeigt den Verlauf der Pipeline Nord Stream 2

(Bild: Nord Stream 2 AG)

In einer weiteren Antwort der Bundesregierung wird außerdem bezweifelt, dass eine Inbetriebnahme der verbliebenen Röhre zu einer Verbesserung der Erdgas-Versorgung führen würde. "Mit der Jamal-Pipeline und dem ukrainischen Gastransitsystem stünden Gazprom, auch nach der Zerstörung der Nord Stream 1-Pipeline, ausreichend Kapazitäten zur Verfügung, um russisches Erdgas nach Europa oder Deutschland zu liefern", heißt es.

Zudem ist die Pipeline Nord Stream 2 bis heute nicht für den Betrieb zertifiziert worden. Die Bundesnetzagentur hatte das Verfahren bereits vor Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine im November 2021 ausgesetzt. Hintergrund war damals laut Bundesregierung, dass die Nord Stream 2 AG vorher das deutsche Teilstück der Pipeline einer noch zu gründenden deutschen Tochtergesellschaft übertragen wollte. Hierfür hätten jedoch die nötigen Unterlagen gefehlt. Ob dieser Schritt angesichts der Sanktionen gegen Russland ohne Weiteres möglich ist, geht aus der Antwort nicht hervor.

(mki)