Nortel-Pleite: Kritik an Verteilungsplan

2017, 8 Jahre nach der Pleite des Netzwerkausrüsters Nortel, könnte erstmals Geld an die Gläubiger fließen. Doch der am Donnerstag beschlossene Verteilungsplan stößt auf Widerstand.

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Rollstuhl im Wasser

Langzeitinvaliden kanadischen Ex-Nortelern steht das Wasser bis zum Hals. Sie kämpfen um ihre Versicherungsleistungen.

(Bild: Joshua Zader CC-BY 2.0)

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Inhaltsverzeichnis

Die angebliche Insolvenz des Telecom-Ausrüsters Nortel hat 2009 ein Mammutverfahren in Gang gesetzt. Die Abwicklung ist so komplex, dass sie das teuerste Insolvenzverfahren aller Zeiten sein dürfte. Die Gläubiger warten seit über sieben Jahren auf Ihre Konkursquote. Am Donnerstag ist erstmals eine Einigung über eine Verteilung der Nortel-Masse erzielt worden. Doch in Nordamerika regt sich Widerstand.

2000 beschäftigte Nortel fast 100.000 Menschen.

Ihren Unmut haben gegenüber heise online zwei Parteien kundgetan, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Einerseits eine Gruppe von 350 kanadischen Langzeitinvaliden und ihren 160 Kindern, denen es insgesamt um 34 Millionen US-Dollar geht. Und andererseits die Vereinigten Staaten von Amerika in Form des staatlichen Rentenausfallversicherers PBGC, der 708 Millionen Dollar fordert. Erstere Gruppe bittet um Menschlichkeit, Letzterer pocht auf sein Recht.

Die PBGC "ist keine Partei der Vereinbarung und lehnt sie ab", heißt es in der Stellungnahme der Pension Benefit Guaranty Corporation. Sie muss für US-Rentenansprüche ehemaliger Nortel-Mitarbeiter geradestehen, was 708 Millionen US-Dollar kosten soll. Das sei bisher nicht berücksichtigt worden.

"Die Vereinbarung sieht einen Verteilungsplan vor, der gegen das [US-Insolvenzrecht] verstoßen würde", sagt die PBGC, "Falls unsere Ansprüche im Insolvenzverfahren nicht fair gelöst werden", müssten US-Arbeitgeber in Zukunft höhere Versicherungsprämien zahlen. Das könnte schmälere Renten nach sich ziehen. Die PBGC möchte verhandeln, droht aber mit Klage. Das würde die Nortel-Abwicklung erheblich verzögern.

Zudem fordert eine als Trade Claims Consortium bekannte Gruppe von US-Gläubigern mehr als 125 Millionen Dollar. Sie ist ebenfalls nicht an dem Vergleich beteiligt, hat sich bisher aber noch nicht dazu geäußert.

Diane A. Urquhart

Nördlich der US-Grenzen steigt Diane Urquhart auf die Barrikaden. Die Finanz-Expertin vertritt ehrenamtlich langzeitinvalide ehemalige Nortel-Mitarbeiter. Sie hatten, aus eigener Tasche, in ein von Nortel in Kanada aufgelegtes Versicherungsprogramm eingezahlt. Das Geld wurde in einem Health and Welfare Trust (HWT) angelegt.

Doch hat Nortel kurz vor der Pleite 60 Millionen kanadische Dollar (aktuell 46 Millionen US-Dollar) aus dem HWT entnommen, weshalb der seine Leistungen nicht erbringen kann. Eine Sammelklage der Betroffenen wurde abgewiesen. Vom Gericht ernannte Vertreter stimmten daraufhin einem Vergleich zu, der den Invaliden nur 38 Prozent ihrer Ansprüche gewährte. Von den restlichen 62 Prozent sollen sie demnach nur die Konkursquote bekommen.

Viele sind auf Sozialleistungen und die mickrige Rente des öffentlichen kanadischen Pensionssystems angewiesen, von der man nicht leben kann. Einige Monate nach dem Vergleich hat Insolvenzverwalter EY (Ernst & Young) Unterlagen herausgegeben, die laut Urquhart einen Betrug seitens Nortel nachweisen. Das habe auch ein Richter anerkannt. Ein gerichtlich nachgewiesener Betrug würde zu einer vollen Befriedigung aus der Masse führen. Der getroffene Vergleich schließt eine neuerliche Klage aber aus.

Navdeep Bains ist einer von 4 Sikhs in Kanadas Regierung.

(Bild: Dave Chan CC-BY 2.0)

Lösen könnte das Problem der kanadische Innovationsminister Navdeep Bains. Er kann die Invalidenversicherung als "Eligible Financial Contract" (Qualifizierter Finanzieller Vertrag) einstufen. Dann müssten die Ansprüche voll befriedigt werden. Da es insgesamt um nur 34 Millionen US-Dollar oder 0,8 Prozent der im Verteilungsplan für Kanada vorgesehenen Summe geht, wäre der Schaden für die übrigen Nortel-Gläubiger gering.

"Die Insolvenzverwalter haben bisher Gebühren von zwei Milliarden US-Dollar offengelegt. Und [noch aktive Nortel-Manager] haben 190 Millionen Dollar Bindungsprämien erhalten. Zusammen sind das 25 Prozent der [weltweiten Nortel-Masse]", ärgerte sich Urquhart gegenüber heise online, "Kanadische Gläubiger dieser eminenten kanadischen Firma bekommen geschätzt 40 Prozent ihrer Forderungen, während US-Gläubiger mehr als das Doppelte bekommen. […] Die kanadische Regierung hat noch Zeit zu handeln, weil [der Verteilungsschlüssel] nicht vor dem 15. Februar 2017 fixiert sein dürfte."

Firmenschild Nortel Networks' in Frankfurt/Main

(Bild: Allie Caulfield CC-BY 2.0)

In der Einigung vom Donnerstag haben sich die wichtigsten Gläubiger, die verschiedenen Nortel-Gesellschaften und deren Insolvenzverwalter darauf verständigt, wie das vorhandene Geld auf die verschiedenen Nortel-Gesellschaften verteilt werden soll. Diese müssen das dann unter ihren jeweiligen Gläubiger verteilen. Stimmen die Gerichte in Kanada, den USA, Großbritannien und Frankreich zu, soll nächstes Jahr das Geld fließen.

Dabei geht es um viel: Auch nachdem für das Insolvenzverfahren mehr als zwei Milliarden Dollar ausgegeben wurden, sind noch immer 7,3 Milliarden Dollar zu verteilen. Davon sind knapp 22 Millionen für Nortel Networks Germany vorgesehen. Die Quoten dürften indes höchst unterschiedlich ausfallen. Während US-Gläubiger auf 80 bis über 90 Prozent hoffen dürfen, bekommen Europäer voraussichtlich 65 Prozent. Kanadier haben mit nur etwa 40 Prozent die schlechtesten Aussichten.

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(ds)