eco-Online-Hotline: Zahl festgestellter Rechtsverstöße auf neuem Höchststand

Die eco-Beschwerdestelle erreichten 2022 wieder mehr berechtigte Eingaben von Nutzern, vor allem zu sexueller Gewalt an Kindern. Das Wachstum ist abgeflaut.

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(Bild: Pikul Noorod/Shutterstock.com)

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Mit 8904 Fällen jenseits von Spam verzeichnete die Online-Beschwerdestelle des eco-Verbands der Internetwirtschaft 2022 zwar erneut einen Höchstwert an berechtigten Hinweisen auf rechtswidrige Inhalte. Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr, als die Prüfer 8613 Meldungen weiterverfolgten, betrug aber nur noch 3,4 Prozent. Das ist deutlich weniger als 2021, als die Zahl der berechtigten Eingaben gegenüber 2020 noch um 50,6 Prozent nach oben schnellte. So könnte 2022 ein Plateau erreicht worden sein.

Die Zahlen finden sich im Jahresbericht 2022 der Hotline, den der Betreiber am Mittwoch veröffentlicht. Den Großteil der berechtigten Beschwerden bezog sich mit 91,6 Prozent beziehungsweise 8760 Fällen auf Darstellungen des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Minderjährigen. Das ist ein Plus von rund 28 Prozent gegenüber 2021. 93,6 Prozent aus diesem Bereich betrafen Inhalte, die die Prüfer als "Kinderpornografie" im Sinne des umstrittenen Paragrafen 184b Strafgesetzbuch (StGB) einstuften.

Dieser Tatbestand umfasst auch Aufnahmen von teils oder ganz entkleideten Kindern in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung sowie die sexuell aufreizende Wiedergabe des unbekleideten Gesäßes oder der Genitalien von Kindern. Rund drei Viertel der 2022 berechtigten Fälle nach 184b StGB betrafen aber Aufnahmen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Davon wiederum rund 20 Prozent bezogen sich auf Posendarstellungen – bei sinkender Tendenz.

In Deutschland gehostete Webseiten mit Inhalten, die nach §184 StGB strafbar sind, konnten laut dem Prinzip "Löschen statt Sperren" innerhalb von durchschnittlich rund 2,8 Tagen zu 100 Prozent gelöscht werden. Die Zeitspanne blieb in etwa gleich gegenüber 2021, als die Vollzugsmeldung im Schnitt nach etwa 2,65 Tagen einging. Weltweit wurden derartige Inhalte in rund einer Woche mit einer Gesamterfolgsquote von 98,5 Prozent entfernt. Grund für Verzögerungen waren in erster Linie unterschiedliche Rechtslagen rund um Texte, virtuelle Darstellungen und Verlinkungen.

Insgesamt erhielt die Beschwerdestelle im vorigen Jahr 18.110 Hinweise auf potenziell strafbare oder jugendmedienschutzrechtlich relevante Internetinhalte. Das sind deutlich weniger als 2021, als noch 25.775 Eingaben eingingen. Mit 16.308 Fällen (88,7 Prozent) machten auch bei den Gesamtmeldungen sexuelle Missbrauchsdarstellungen den Löwenanteil aus. Hinweise auf frei zugängliche Erwachsenenpornografie (76 Fälle) und sogenannte entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte (75 Fälle) sind im Vergleich zum Vorjahr spürbar zurückgegangen.

50,8 Prozent der erhaltenen Beschwerden konnten die Prüfer verwerfen. Als berechtigt gilt eine Eingabe bei der Hotline erst, wenn die Experten tatsächlich einen Rechtsverstoß feststellen und im Anschluss Maßnahmen ergreifen.

Im Ausland gehostete Inhalte werden dabei zunächst an eine Partnerstelle des internationalen Hotline-Verbunds Inhope weitergeleitet. Diese übernimmt dann die weitere Bearbeitung mit dem Ziel etwa der Entfernung und arbeitet mit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde des jeweiligen Staates zusammen. Gibt es im Land des Serverstandorts kein Inhope-Mitglied oder fällt der gemeldete Content nicht in den Zuständigkeitsbereich des Kooperationspartners, kontaktiert die eco-Beschwerdestelle den Hostprovider direkt. Andernfalls erfolgt eine Anzeige bei der Polizei. Insgesamt hat diese im vergangenen Jahr 15.300 entsprechende "Notifikationen" verschickt, während es 2021 noch 12.725 waren.

Auch im vorigen Jahr war gerade im Bereich der wieder etwas stärker gemeldeten verfassungsfeindlichen Inhalte der Anteil der berechtigten Beschwerden auffallend gering. Gerade einmal rund 6 Prozent davon mussten beziehungsweise konnten am Ende auch als rechtswidriger Inhalt klassifiziert werden. Letztlich stuften die Juristen nur 33 gemeldete Inhalte aus dieser Sparte als illegal ein. Dies entspricht 0,4 Prozent aller berechtigten Beschwerden 2022 und ist annähernd deckungsgleich mit dem Vorjahr.

Im aktuellen Berichtsjahr erhielt die Hotline auch insgesamt 472.763 Beschwerden über ungewünschte Werbemails. Das sind rund 11 Prozent mehr Spam als im Vorjahr. Dabei sei es aber zu "vielen Mehrfachmeldungen" gekommen. Erneut habe sich zudem generell gezeigt, "dass es wichtig ist, illegale Inhalte auch anonym melden zu können". Gegenüber 2021 sei der Anteil der erhaltenen anonymen Beschwerden um rund 19 Prozentpunkte auf 64,6 Prozent gestiegen.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen betont im Vorwort, der Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern habe für sie "höchste Priorität". Dieses Thema müsse auf vielen Ebenen angegangen werden. Diesen Ansatz habe zuletzt die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag für eine einschlägige Verordnung "unterstützt". Ein europaweit einheitliches Vorgehen sei hier wichtig. Sie befürworte ausdrücklich, "Prävention zu stärken und die Anbieter in die Pflicht zu nehmen, ihren Beitrag zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu leisten". Die mit dem Entwurf verknüpfte Chatkontrolle lehnte Paus zuvor aber wiederholt ab.

Beschwerdestellenleiterin Alexandra Koch-Skiba zeigte sich "zutiefst davon überzeugt, dass das Prinzip Löschen statt Sperren der einzig gangbare Weg bei der Bekämpfung illegaler Internetinhalte sein kann". Aktuelle Regulierungsvorhaben auf europäischer Ebene müssten diesen Ansatz sowie etablierte funktionierende Strukturen und bereits bestehende Kooperationen besser fördern sowie einbeziehen. Der eco hat sich bereits grundsätzlich gegen ein flächendeckendes Scannen der Online-Kommunikation ausgesprochen.

(mho)