Open-RAN: Größter Mobilfunk-Auftrag für Ericsson schmerzt Nokia

14 Milliarden Dollar zahlt AT&T für Open-RAN-Mobilfunk von Ericsson – der größte Auftrag in Ericssons Geschichte. Profitabilität ist nicht gesichert.​

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Antennen auf einem Masten

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
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AT&T lässt den Großteil seines 5G-Mobilfunknetzes auf Open RAN umbauen – durch Ericsson. Der schwedische Ausrüster erhält dafür in den nächsten fünf Jahren bis zu 14 Milliarden US-Dollar. Es ist der größte Auftrag in der Geschichte Ericssons und eine Niederlage für Nokia. AT&T ist der größte Mobilfunker der USA und hat sein Funknetz bislang überwiegend bei Nokia bestellt. Der Wechsel sorgt für Aufsehen in der Telecom-Welt.

2025 soll Ericsson loslegen, bereits Ende 2026 sollen 70 Prozent des AT&T Mobilfunk-Datenverkehrs auf Open-RAN-Basis übertragen werden. Dafür wird Ericsson auch bereits eingebaute Nokia-Hardware, deren Lebenserwartung sich eigentlich noch nicht ihrem Ende zuneigt, ausbauen und ersetzen müssen.

Mit den ausgebauten Teilen könnte man wahrscheinlich drei Mobilfunknetze für ganz Großbritannien ausrüsten, schätzt das Branchenmedium Light Reading – umgerechnet zwei für Deutschland. Die Kosten für den frühzeitigen Austausch gehen sicher in die Milliarden. Ericsson habe womöglich einen Deal geschlossen, der für sich genommen gar nicht profitabel sei.

Allerdings hilft es beim Vertrieb an andere 5G-Netzbetreiber, AT&T als Referenzkunden vorweisen zu können. Und vielleicht, spekuliert Light Reading, versuche Ericsson durch das Abwerben von AT&T den Rivalen Nokia zu schwächen.

In der Tat mussten die Finnen nicht nur ein Abrutschen des Aktienkurses um 14 Prozent (von Freitag auf Dienstag) hinnehmen, sondern auch gleich eine Gewinnwarnung veröffentlichen: AT&T alleine habe dieses Jahr fünf bis acht Prozent des Nettoumsatzes gestellt. Da wird in Zukunft deutlich weniger hereinkommen. Nokia meint zwar, profitabel bleiben zu können, doch das für das laufende Jahr ausgegebene Ziel einer zweistelligen operativen Marge werde wohl erst 2025 erreicht.

Open-RAN steht für Open Radio Access Network. Standards sollen dafür sorgen, dass Hard- und Software unterschiedlicher Lieferanten zueinander passen und damit im Mischbetrieb eingesetzt werden können. Damit, so der Gedanke, müssten Netzbetreiber nicht mehr bei einem der wenigen großen Anbieter alles aus einer Hand kaufen, sondern können Komponenten bei verschiedenen Herstellern bestellen. Parallel würde das kleineren Unternehmen ermöglichen, in den Markt einzusteigen, indem sie sich auf bestimmte Komponenten spezialisieren.

Das ist einfacher gesagt als getan. Die Standards sind nicht so detailliert festgezurrt, dass beliebige Komponenten als Plug & Play durch Konkurrenzprodukte austauschbar wären. Hinzu kommen fundamental unterschiedliche Zugänge: Nokia setzt bei Layer 1 auf anwendungsspezifische integrierte Schaltungen (ASIC), sogenannte Accelerators. Ericsson dürfte nur für einen Teil der Berechnungen auf ASICs setzen und deutlich mehr Arbeit klassischen CPUs überlassen. Die jeweils genutzte Software muss für die jeweilige Architektur programmiert sein, lässt sich also nicht flott austauschen.

Bislang ist von echtem Open-RAN wenig zu sehen. Jene Netzbetreiber, die sich in erheblichem Ausmaß darauf einlassen, beziehen die meisten Bestandteile erst wieder aus einer Hand. Open-RAN ist noch nicht dort, wo es sein möchte; das Risiko, als Netzbetreiber zwischen den Stühlen unterschiedlicher Lieferanten sitzenzubleiben, ist nicht zu unterschätzen.

So auch hier: AT&T hat einen riesigen Auftrag an Ericsson vergeben, auf Jahre hinaus. Nokia wird hinausgedrängt. Damit, konstatiert Light Reading, begebe sich AT&T sogar in noch mehr Abhängigkeit von einem einzelnen Ausrüster. Das mache aus demonstrativen Investition in Open-RAN "einen Witz".

Immerhin nennt AT&T weitere Auftragnehmer: Corning, Dell, Fujitsu und Intel. Doch was diese Firmen jeweils beitragen sollen, verrät AT&T nicht. Zudem verfolgt das Unternehmen weiterhin die Verlagerungen seines Kernnetzes in die Microsoft-Cloud. Vielleicht war Ericssons Angebot einfach so gut, dass AT&T es nicht ablehnen konnte – und Ericsson hofft eventuell, dass es damit andere Kunden anlocken kann, die dann entsprechend mehr bezahlen.

Soweit das Kaffeesatzlesen. AT&T-Chef John Stankey betont, dass sein Netz in Zukunft einfacher zu managen sein werde, und dass es effizienter laufen werde. Die neuen Einrichtungen leisteten mehr, weshalb weniger Stück erforderlich wären. Nichts anderes wäre von einer neuen Netzgeneration zu erwarten.

Die neue Hardware soll zu einem erheblichen Teil in den USA hergestellt werden. Dafür hat Ericsson eine Fabrik in Texas errichtet. "Made in USA" einzukaufen, eröffnet AT&T den Zugang zu Aufträgen von US-Bundesbehörden, Steuervorteilen und Subventionen.

(ds)