"Osterpaket": Elektrofahrzeuge können künftig als Stromspeicher genutzt werden

Der Bundestag hat mit dem Gesetzespaket zum Ausbau der Erneuerbaren auch den Weg geebnet zur Integration von Elektroautos ins Stromnetz durch beidseitiges Laden

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(Bild: Shutterstock.com / buffaloboy)

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Die Bundesnetzagentur (BNetzA) kann künftig bundeseinheitliche Vorgaben für die Netzintegration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und Netzanschlüssen schaffen. Praktisch schließt das etwa die bereits vielfach geforderte Option ein, E-Autos als lokale Batteriespeicher zu nutzen und durch bidirektionales Laden ins Stromnetz zu integrieren ("Vehicle-to-Grid"). Ferner werden die Möglichkeiten für Energieversorger erweitert, flexible zeitabhängige Stromtarife anzubieten.

Die entsprechenden Voraussetzungen hat der Bundestag am Donnerstag mit dem Beschluss des "Osterpakets" geschaffen, in dessen Zentrum der Ausbau der erneuerbaren Energien steht. Enthalten ist darin auch eine umfassende Reform von Paragraf 14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), der die neue Vollmacht für die Regulierungsbehörde enthält. Mit dem Vorhaben will der Gesetzgeber "die Systemintegration sowie den Nutzen für die Energiewende" stärken.

"Nach mehreren gescheiterten Anläufen der großen Koalition bringen wir die Integration von Elektroautos ins Stromnetz auf den Weg", erläuterte Ingrid Nestle, Sprecherin für Klimaschutz und Energie der Grünen-Bundestagsfraktion, die Initiative, die auch schon den Bundesrat passiert hat. Mit der überfälligen Novelle des einschlägigen Paragrafen könnten insbesondere E-Fahrzeuge und andere steuerbare Energieanlagen von Verbrauchern "endlich optimal in das Verteilnetz eingebunden". Ob ein E-Mobil "über Nacht eine halbe Stunde früher oder spät lädt, macht für den Fahrer am Morgen keinen Unterschied. Für die Stabilität des Stromnetzes kann es ein großer Vorteil sein."

Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Bundestags begründete seinen Willen, Paragraf 14a EnWG "vollständig neu" zu fassen, so: "Der schnellere Hochlauf der Elektromobilität, ein forcierter Wärmepumpen-Rollout, neue Flexibilitätsmodelle für Prosumer und die bevorstehende Umsetzung des EU-Legislativpaketes 'Fit for 55' erfordern einen umfassenden Systemansatz zur Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen in das Stromsystem." Ein solcher unterstützt auch den Ausbau der Erneuerbaren. Zugleich müsse im Lichte eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs auch der Unabhängigkeit der BNetzA stärker Rechnung getragen werden.

Die überarbeitete Vorschrift schafft laut dem Ausschuss umfangreiche einschlägige Gestaltungskompetenzen für den Regulierer. "Netzorientierte Steuerung" sei dabei als Oberbegriff zu verstehen. Dieser schließe sowohl wirtschaftliche Anreize zu "netzverträglichem Verhalten" ein als auch Vereinbarungen über die Netzanschlussleistung und eine aktive Steuerung dafür geeigneter Verbrauchseinrichtungen und Netzanschlüssen durch die Betreiber "zur Beseitigung von Netzengpässen".

Stromversorger und Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums hatten unter Schwarz-Rot für das Modell der "Spitzenglättung" geworben. Es sieht vor, dass E-Autos oder Speicheranlagen im Heim in Spitzenzeiten weniger Strom aus dem Netz beziehen können und für einen unbeschränkten Verbrauch höhere Entgelte fällig sind. Netzbetreiber könnten so das Laden etwa in den frühen Abendstunden zeitweise unterbrechen. Davon ist im Rahmen der aktuellen Novelle so konkret nicht mehr die Rede.

Eine netzorientierte Steuerung sei weiterhin nur auf Basis einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Netzbetreiber und dem jeweiligen Nutzer beziehungsweise auf Grundlage selbstbestimmter Reaktionen der Endverbraucher auf wirtschaftliche Anreize möglich, hebt der Energieausschuss hervor. Dabei müsse der von der BNetzA vorgegebenen Rahmen beachtet werden. Vorrangig sollten "marktlich organisierte Flexibilitätsansätze zum Einsatz kommen, um die Netzstabilität sicherzustellen". Dazu gehörten dynamische Preise und Ausschreibungen von netzdienlicher Flexibilität. Netzbetreiber könnten auch schon jetzt verpflichtet werden, entsprechende Tarife auf ihrer Webseite anzubieten.

Öffentlich-zugängliche Ladepunkte bleiben wegen oftmals kurzer Standzeiten der sie anfahrenden E-Autos und "anderer Kundenbedürfnisse" außen vor. Die Parlamentarier haben zudem klargestellt, dass die netzorientierte Steuerung entsprechend den Vorgaben des Messstellenbetriebsgesetzes und der zugehörigen Technischen Richtlinien und Schutzprofile des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) über ein entsprechend zertifiziertes Smart-Meter-Gateway zu erfolgen hat, insofern ein solches bereits vorhanden ist.

Experten und Denkfabriken hatten in den vergangenen Jahren wiederholt das Vehicle-to-Grid-Modell propagiert. E-Fahrzeuge müssten "systemdienlich betrieben werden, um die Systemintegration von Wind und Solarstrom zu stärken", hieß es etwa in einer im Juni veröffentlichten Studie von Agora Energiewende. E-Autos könnten in einem gewissen Maße flexibel geladen und sollten als Stromspeicher genutzt werden.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) lobte, dass das Parlament "nun endlich eine neue Regelung zu steuerbaren Verbrauchsanlagen" geschaffen habe. Nun gehe es darum, "eine bedarfsgerechte, pragmatische und effiziente Anwendung" dieses wichtigen Instruments durch die BNetzA zu gewährleisten. Auch der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) sieht den Regulierer am Zug, Paragraf 14a EnWG "marktgerecht auszugestalten". Zwangsabschaltungen dürften "nur Ultima Ratio sein".

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat parallel 80 Millionen Euro für die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bereitgestellt, um "die Transformation hin zur Elektromobilität und deren Integration in die Strommärkte" zu beflügeln. Schwerpunkte liegen auf Projekten, die Lösungen für bidirektionales Laden und den elektrifizierten Schwerlastverkehr bereitstellen. Staatssekretär Michael Kellner unterstrich: "E-Autos könnten wesentlich dazu beitragen, dass der Bedarf für einen Stromnetzausbau reduziert wird." Wenn sie nicht führen, seien sie als Speicher nutzbar. Deutschland solle Leitmarkt für E-Mobilität und deren Integration ins Stromnetz werden.

(bme)