Prozess um Darkweb-Forum: Verantwortung des Betreibers für die Waffengeschäfte

Seite 2: An Waffenverkäufen gezweifelt

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Dann kommt der Richter auf die Waffengeschäfte. Ob Waffen auch schon beim Start von DiDW eine Kategorie gewesen seien? "Nein", sagt U., Waffen seien am Anfang nur eine Unterkategorie der Kategorie "Spackentreff" gewesen. Da habe er Beiträge hinverschoben, die anderswo gestört hätten. Nichts weiter als eine "Papierkorbkategorie". "Und wenn's da eine bestimmte Menge von Themen gab, wurden die da zusammengefasst. Das war auch der einzigste Moderationseingriff". Und so sei dann nach einem guten Dreivierteljahr die Unterkategorie "Waffen" entstanden.

Der Richter schlussfolgert: "Das setzt ja voraus, dass Sie bemerkt haben, dass das Forum genutzt wird, um Waffen zum Kauf anzubieten". Nein, eher nicht, macht der Angeklagte geltend. "Da habe ich mir gedacht, das waren Betrugsversuche. Ich hätte nicht gedacht, dass jemand ernsthaft versucht, da Waffen anzubieten". Aber es habe doch geheißen: Alles ist erlaubt? Der Angeklagte versucht eine andere Erklärung: Da habe er sich gedacht, dass das "verdeckte Ermittler oder Presse" seien, auf der Suche nach Storys über sein Forum. Und vielleicht noch Waffenliebhaber.

Der Richter: "Sie sind also davon ausgegangen, dass das, was sich in der Kategorie Waffen abspielt, Betrugsversuche, Ermittler oder Liebhaber waren? Und nicht, dass das Leute nutzen, die real funktionstüchtige Waffen verkaufen?" Alexander U., mit fester Stimme: "Hätte ich mir nicht mal im Ansatz träumen lassen".

"Mal ehrlich", sagt Richter Radke, "was Sie bisher geschildert haben, kann ich halbwegs nachvollziehen. An der Stelle fällt’s mir schwer". Und er spricht darüber, dass wir ja "in einer Zeit leben, in der es viele Terroranschläge gibt und viel über Waffen gesprochen wird".

"Und Sie schaffen ein Forum im Darkweb und wollen nicht auf die Idee gekommen sein, dass jemand real versuchen könnte, sich da Waffen zu beschaffen?"

Alexander U. wirkt angeknockt. Zögernd: "Nein – erstmal hab ich mir da nicht groß Gedanken gemacht – versucht, das nachzuvollziehen – und…" – er bricht ab. Fasst sich mit der Hand an die Nase. Schaut schweigend nach unten. Es ist still im Karlsruher Schwurgerichtssaal. Alle schauen auf Alexander U., auch die aus München angereisten Eltern eines der Jugendlichen, der beim Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) erschossen wurde und die am Prozess als Nebenkläger teilnehmen. Dann beendet Alexander U. seine Nachdenkpause und sagt: "Das war mir einfach nicht denkbar, dass so etwas passiert."

"Mir fällt schwer, das zu glauben", sagt der Richter. Eine Ansage, die als Warnung vor einem harten Urteil verstanden werden kann. Die Eltern von Alexander U., die auf Zuschauerplätzen sitzen, schauen entgeistert zur Richterbank. Auch seine Verlobte guckt ernst. Alexander U. erwidert: "Wenn ich so an Amok und Terror denke, kann ich mir denken, dass so etwas im Ausland vonstatten geht, aber nicht in Deutschland, wo man das von Angesicht zu Angesicht macht und nicht in der Anonymität im Darknet".

"Aber Sie haben doch einen Hinterhof geschaffen!", gibt der Richter zurück, bisher im Tonfall immer gleichbleibend sachlich, jetzt eine Nuance engagierter. "Der Name Breivik ist im Forum gefallen", also der Name des norwegischen Mörders, der in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen erschoss. Oder der des Attentäters von Winnenden. "Man weiß ja, dass es Menschen gibt, die auf illegale Waffenbeschaffung angewiesen sind", erklärt Richter Radke eher formfrei. "Da kommen Sie nicht drauf, dass ihr Forum der ideale Platz dafür sein könnte?" Darauf U: "Nein. Einfach, weil das für mich einfach nur ein Papierkorb war. Themen, die mich gar nicht groß interessiert haben".

"Aber Sie haben gesehen, dass da Bilder von Waffen eingestellt wurden!"

"Das kann sein".

Der Richter packt das nächste Thema aus, das Treuhandsystem auf DiDW. "Warum habe Sie Treuhänder eingeführt?" Die Antwort: "Um Betrüger abzuhalten". Wer habe Treuhänder werden können? "Jeder, aber es mussten Leute mit Vertrauen sein". War der Angeklagte selber auch Treuhänder? "Ja". Demnach habe er also überblickt, welche Transaktionen da so liefen? "Nein".

Ab hier werden die Ausführungen des Angeklagten wieder wolkiger. Treuhänder hätten nicht unbedingt merken müssen, dass ein Käufer- und Verkäuferpaar sie einschaltet. Wenn der Deal reibungslos klappte, dann habe der Treuhänder gar nichts tun müssen. Treuhanddienste habe es nur für Drogengeschäfte gegeben, meint Alexander U. Bei Waffengeschäften nicht? "Nein", antwortet der Angeklagte. Hätten Waffenhändler denn technisch die Möglichkeit gehabt, Treuhanddienste zu nutzen? "Ja, dieses Treuhandsystem konnte jeder nutzen. Es gab keine Verbindung zu irgendwelchen Geschäften". Also doch auch bei Waffen? Die Frage bleibt stehen.