Stille SMS & Co.: Regierung erklärt heimliche Überwachung komplett für geheim

2023 gab das Innenministerium noch öffentlich Auskunft über den Versand stiller SMS durch Bundespolizei und BKA sowie über IMSI-Catcher. Damit ist nun Schluss.

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Gebäude des BKA in Wiesbaden

Gebäude des BKA in Wiesbaden.

(Bild: BKA)

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Der Ampel-Koalition schwebt zwar ein Staat vor, der "mehr Transparenz und Teilhabe in seinen Entscheidungen bietet". In Überwachungsfragen übt sie sich aber in Geheimniskrämerei. So hat das Bundesinnenministerium (BMI) jetzt diverse Formen der heimlichen staatlichen Überwachung komplett für geheim erklärt. Statistiken, wie oft stille SMS oder Funkzellenabfragen eingesetzt wurden, gibt es nicht mehr heraus.

Ein Unding, findet Ann Cathrin Riedel, Vorsitzende des FDP-nahen netzpolitischen Vereins Load. "Eigentlich haben wir die progressivste Regierung seit Jahrzehnten", meint sie. Just unter der Ampel passiere es, dass die Zahlen zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) "nun der Geheimhaltung unterliegen und nicht mehr veröffentlicht werden dürfen".

2023 machte das BMI zumindest noch Angaben zum Versand stiller SMS durch das Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundespolizei mit teilweise steigender Tendenz. Beide Behörden verschickten 2022 demnach insgesamt 99.901 solcher "Stealth Pings", um Personen zu orten. Vergleichbare Zahlen für den Zoll hatte das Innenministerium schon 2012 als Verschlusssache (VS) nur für den Dienstgebrauch (NfD) eingestuft, jene für das Bundesamt für Verfassungsschutz 2019 als geheim. Jetzt verweist es in einer Antwort auf eine Anfrage der Gruppe BSW auch für die beiden Polizeibehörden des Bundes auf die "geheimen" beziehungsweise als "VS-NfD" deklarierten Teile seiner Ausführungen, zu denen sich Abgeordnete nicht öffentlich äußern dürfen.

Das BMI begründet die Verschwiegenheit damit, dass sich andernfalls potenziell Rückschlüsse auf "Vorgehensweise, Fähigkeiten und Methoden" von Ermittlern und Agenten ziehen ließen. Dies könnte "wiederum nachteilig für die Aufgabenerfüllung der durchführenden Stellen" sein. Entlocken lässt sich das Ministerium nur, dass das BKA keine per heimliche SMS aufgespürten Personen über die Maßnahme benachrichtigt habe. Die Bundespolizei erhebe zudem überhaupt keine statistischen Daten über die Anzahl der Betroffenen. Diese würden generell von den zuständigen Staatsanwaltschaften informiert.

Auch zur Funkzellenauswertung schweigt sich die Regierung inzwischen aus. Für 2022 hatte das BMI voriges Jahr noch bekannt gegeben, dass die Bundespolizei in 105 Fällen Funkzellen abfragte. Nun heißt es, hier würden öffentliche Statistiken "konkret weitergehende Ermittlungsmaßnahmen erschweren oder gar vereiteln". Wichtiger sei das Interesse der Allgemeinheit, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten. Ähnlich begründet das BMI, dass es keine Zahlen mehr zum Einsatz von IMSI- und WLAN-Catchern herausrückt, mit denen sich Standorte und Geräte- sowie Kartennummern ermitteln lassen.

Wie oft Bundesbehörden Staatstrojaner für die Quellen-TKÜ oder heimliche Online-Durchsuchungen genutzt haben, teilt die Regierung schon seit Längerem nicht mehr öffentlich mit. Amtliche Statistiken werden hier nur für die Länder und den Generalbundesanwalt publiziert. Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel vorgenommen: "Wir sorgen für eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik." Deshalb "erstellen wir eine Überwachungsgesamtrechnung und bis spätestens Ende 2023 eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der Sicherheitsgesetze". Getan hat sich hier bislang wenig. Auskunftsfreudiger ist das Bundesfinanzministerium bei Kontenabfragen, die laut einer aktuellen Antwort auf insgesamt 1,4 Millionen gestiegen sind. Für die Finanzämter nahm das Bundeszentralamt für Steuern demnach 169.901 Abfragen vor, für Gerichtsvollzieher 844.427. Beim Rest ging es um weitere Auskunftspflichten.

(anw)