Bundesrechnungshof kritisiert: Energiewende vom Kurs abgekommen?

Die Kassenprüfer kritisieren die Bundesregierung massiv, weil sie beim Ausbau der Erneuerbaren und der Stromnetze in Verzug geraten sei. Sie müsse umsteuern.​

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(Bild: r.classen / Shutterstock.com)

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Ungewöhnlich scharf zu Gericht geht der Bundesrechnungshof mit der Bundesregierung anlässlich deren Arbeit am "Generationenprojekt Energiewende". Deutschland verfolge hier "sehr ambitionierte Ziele", schreiben die Kassenprüfer in einem am Donnerstag veröffentlichten Sonderbericht. Das Vorhaben sei aber "nicht auf Kurs", die Regierung "hinkt ihren Zielen hinterher". Nötig sei daher eine umgehende Reaktion, "um eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Stromversorgung zu gewährleisten". Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, warnte: "Ein Scheitern hätte gravierende Folgen, denn der Erfolg der Energiewende ist zentral für ihre Akzeptanz in der Bevölkerung, den Wirtschaftsstandort Deutschland und das Erreichen der Klimaschutzziele."

Die vorgesehene Transformation ziele "auf eine grundlegende Umstellung der Energieversorgung in Deutschland auf erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz ab", schreiben die Haushaltsexperten auf den knapp 60 Seiten. Doch aktuell sehen sie die sichere Versorgung mit zudem vergleichsweise teurem Strom gefährdet. Die Erzeugung durch Photovoltaik und Windanlagen unterliege Schwankungen und "Dunkelflauten", "sodass es zu Versorgungslücken kommen kann". Deshalb sei der Zubau ausreichender gesicherter, steuerbarer Backup-Kapazitäten bis 2030 von zentraler Bedeutung. Mit der auf 2026 ausgerichteten Kraftwerksstrategie der Regierung werde dies aber nicht gelingen, da die darin vorgesehenen zehn großen, auf Wasserstoff umstellbaren Gaskraftwerke nicht ausreichten.

Außerdem sei ein erheblicher Ausbau der Stromnetze nötig, moniert der Rechnungshof. Der Rückstand hinter der Planung betrage mittlerweile aber "sieben Jahre und 6000 km". Ferner betrachte die Bundesnetzagentur in einem Prüfbericht für die Jahre 2025 bis 2031 nur das Wunschszenario, wonach die Ausbauziele sicher erreicht werden. Eigentlich solle die Regulierungsbehörde hier aber ein Frühwarnsystem etablieren. Die Regierung benenne die "Systemkosten der Energiewende" zudem nicht klar. Mit der Ausdehnung der Erneuerbaren seien auch negative Auswirkungen auf die Umwelt verbunden: "Knappe Flächen und Ressourcen werden in Anspruch genommen, die Biodiversität beeinträchtigt." Solche Faktoren lasse die Exekutive außen vor.

Schon jetzt halten es die Prüfer für absehbar, dass die ambitionierten Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren nicht erreicht werden. 2023 habe die Netzagentur lediglich 50 Prozent des angestrebten Volumens für Windenergieanlagen an Land vergeben: statt 12,84 Gigawatt (GW) nur 6,38 GW. Theoretisch müsste sie nun 2024 nun 16,46 GW vergeben, was nicht realistisch sei. Zugleich werde der Bruttostromverbrauch in den nächsten Jahren deutlich steigen. Die Regierung müsse daher ein "Worst-Case-Szenario" einbeziehen sowie den Ausbau der Erneuerbaren und jederzeit abrufbarer, steuerbarer Kraftwerksleistung sicherzustellen.

Trotz berechtigter Einzelpunkte schieße der Rechnungshof "mit seiner Generalkritik über das Ziel hinaus", erwiderte Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). "Es sind sehr wohl Energiewende-Fortschritte sichtbar." Die Bedingungen für den Ausbau von Photovoltaik- und Windanlagen hätten sich deutlich verbessert. Eine "Versorgungslücke" sei nicht erkennbar. Die Regierung müsse trotzdem Tempo machen, um den Zubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke zu ermöglichen. Robert Habeck (Grüne), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, bezeichnete die Energiewende als laufende, längst nicht vollendete Initiative. Der Rechnungshof lege insgesamt eine "erstaunliche Wahrnehmung" an den Tag, "die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat". Die Ampel setze um, was jahrzehntelang versäumt worden sei.

(mki)