Studie: KI beschleunigt Arzneimittel-Entwicklung und personalisierte Medizin

Der Erstellungsprozess neuer Wirkstoffe kann mit KI von der Idee bis zur Zulassung viel effizienter gestaltet werden, erläutert die Plattform Lernende Systeme.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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Die Arbeit an neuen Arzneimitteln ist ein komplexes, langwieriges Unterfangen: Bis zur Markteinführung dauert es an die zwölf Jahre – mit durchschnittlichen Gesamtkosten von rund 2,8 Milliarden US-Dollar. Gründe dafür sind immer komplexer werdende Produkte und Studiendesigns, steigende Anforderungen für Dokumentation und Sicherheit sowie die aufwendige Rekrutierung von Teilnehmern für klinische Studien. Pharmakonzerne schrecken so vor dem Design neuer Wirkstoffe wie Antibiotika zurück, wenn diese nicht mehr als rentabel gelten. Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) bieten aber ein Mittel zum Gegensteuern für die Branche und das Gesundheitswesen insgesamt, ist einer aktuellen Studie der Plattform Lernende Systeme zu entnehmen.

Der Prozess der Arzneimittel-Entwicklung könne mithilfe von KI "von der ersten Idee bis zur Zulassung" deutlich effizienter gestaltet werden, schreibt das Team rund um Klemens Budde von der Charité in dem Weißbuch des Netzwerks, das bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) aufgehängt ist und vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Dies mache es möglich, "jahrelange Arbeit und kostspielige Investitionen einzusparen". Entscheidend seien dafür etwa "systematische Analysen bei der Datenverarbeitung", also beispielsweise zum Erkennen relevanter Muster aus Big Data.

Mithilfe von KI könnten riesige Datenmengen systematisch analysiert und umfangreiches Wissen schnell ausgewertet werden, erläutern die Autoren. So ließen sich geeignete Wirkstoffziele und -kandidaten in kurzer Zeit finden, bessere Vorhersagen zu Nebenwirkungen der Arzneimittel treffen und die chemische Synthese optimieren, also die Herstellung des Wirkstoffs. Auch bei der Auswahl und der Überwachung von Probanden für klinische Studien und der Zulassung könne die Schlüsseltechnik helfen. Die KI-basierte Datenanalyse ermögliche ferner die Entwicklung personalisierter Therapien etwa zur Behandlung von Krebs. Diese ließen sich besser auf das individuelle Krankheitsbild des Patienten abstimmen.

Die von Google DeepMind entwickelte Software AlphaFold erlaube die KI-basierte Vorhersage entscheidender Proteinstrukturen "innerhalb weniger Stunden mit hoher Genauigkeit", bringen die Mitglieder der Arbeitsgruppe Gesundheit, Medizintechnik und Pflege der Plattform ein Beispiel. Um eine vergleichbare Genauigkeit und Auflösung zu erzielen, hätten solche Molekülstränge bisher experimentell in teils monatelanger Arbeit erforscht werden müssen. Das US-Biotechnologieunternehmen Insilico Medicine habe zudem die Entwicklung eines Wirkstoffkandidaten gegen Fibrose bis zur präklinischen Phase durch KI-Unterstützung für weniger als 850.000 US-Dollar durchführen können. Traditionell wären dafür Kosten von etwa 664 Millionen US-Dollar angefallen.

Das südkoreanische Pharma-Tech-Unternehmen Standigm hat der Analyse zufolge zudem eine KI-basierte Plattform zur Identifikation von Arzneimitteln mit neuen Wirkmechanismen entwickelt, die eine Identifikation dieser Strukturen innerhalb von durchschnittlich sieben Monaten im Vergleich zu typischerweise 30 Monaten zulasse. Auch auf die Chancen generativer KI gehen die Verfasser ein. Med-PaLM etwa sei ein von Google entwickeltes Sprachmodell speziell für medizinische Fragen. Es unterstütze "die intuitive, textbasierte Abfrage von relevanten Genen für bestimmte Krankheiten auf Basis von Informationen, die in Wissensgraphen organisiert sind". Als Gegenstück habe Exscientia einen Chatbot zum Produzieren von Wissensgraphen veröffentlicht. Generative KI könne ferner genutzt werden, um neue Moleküle oder Proteine zu erstellen. Herausfordernd seien aber Halluzinationen solcher Sprachmodelle.

Als allgemeine Hürden bezeichnen die Experten etwa das Fehlen gesetzlicher Vorgaben sowie die Datenqualität und -verfügbarkeit. Wichtig sei die Bereitschaft der forschenden Unternehmen zum Teilen von Informationen. Lücken bestünden insbesondere in der Datenbasis zur menschlichen Biologie, also etwa zu Krankheitsmechanismen und der Wirkung von Arzneimitteln. Diese könnten mit qualitativ hochwertigen Messwerten der Bevölkerung geschlossen werden, die im Idealfall über die elektronische Patientenakte (ePA) oder die Krankenkassen bereitgestellt würden. Die Politik müsse die richtigen Weichen etwa mit dem Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) und Normen wie dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz stellen. Dabei dürfe die KI-gestützte Forschung aber nicht durch Schranken torpediert werden, wie sie etwa Bürgerrechtler einfordern.

(bme)