Trotz Copyright-Urteil: Viele Bücher bleiben im Internet Archive

Die Online-Bibliothek des Internet Archive verletzt Copyright. Aber vielleicht nicht so viel. Daher bleiben zahlreiche Bücher online.

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Vogelperspektive: Eine Hand hält einen E-Book-Leser, die andere eine Tasse mit hellbrauner Flüssigkeit

(Bild: Erlo Brown/Shutterstock.com)

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Der Verleih digitalisierter Bücher durch die Online Library des Internet Archive verletzt Copyright. Diese Grundsatzentscheidung hat ein US-Bundesbezirksgericht schon im März gefällt. Jetzt allerdings stellt das Gericht fest, dass das nur für urheberrechtlich geschützte Bücher der klagenden Verlage gesichert ist, die auch in elektronischer Form kommerziell verfügbar sind. Bieten die Verlage einen Titel nicht als E-Book an, darf das Internet Archive die selbst angefertigten Scans bis auf Weiteres online verleihen.

Das geht aus der jüngsten Entscheidung des Bundesbezirksgerichts für das südliche New York hervor. Im Großen und Ganzen haben sich die vier klagenden Buchverlage und das Internet Archive auf eine Unterlassungsanordnung verständigt, die regelt, wem das Internet Archive welche Bücher (nicht mehr) in elektronischer Form zur Verfügung stellen darf. Nicht einigen konnten sich die Streitparteien trotz monatelanger Verhandlungen darüber, ob die Einschränkungen für alle lieferbaren Bücher aus dem Repertoire der Kläger gelten, oder nur für Werke, die sie konkret in elektronischer Form vermarkten. Diese Frage hat der zuständige Richter zugunsten des Internet Archive entscheiden.

Und das geht so: Zunächst weist der Richter darauf hin, dass Unterlassungsanordnungen nur für bestimmte Rechtsverletzungen zu erlassen sind, die auch Teil des Gerichtsverfahrens waren. Die vier Verlage stützen ihre Klage auf 127 Bücher, an denen sie die Rechte halten oder verwalten, und die das Internet Archive eingescannt und ohne Genehmigung in die Online Library gestellt hat. Alle diese 127 Bücher lizenzieren die Kläger derzeit entgeltlich als E-Books an Bibliotheken.

Das Internet Archive nutzt aber nicht die E-Books der Verlage, sondern erwirbt direkt oder über Partner legale Papierausgaben, scannt diese ein, versieht das Ergebnis mit Digital Restriction Management (DRM), und verleiht es. Das für den Scan genutzte Buch lagert in einem Archiv und wird nicht verliehen, sodass keine zusätzlichen Werkstücke in Umlauf geraten; statt einer papierenen wird eben eine elektronische Version gelesen. Auf diese Weise meint das Internet Archive, die Voraussetzungen des Fair Use nach US-Copyright zu erfüllen.

Nein, sagte das Gericht im März, das sei kein Fair Use. Dafür hat es die vier Faktoren für Fair Use geprüft und gegen einander abgewogen: Es kommt auf den Zweck der Nutzung an – kommerziell, nichtkommerziell oder für Bildung – sowie auf die Art des Werks, die genutzten Ausschnitte im Vergleich zum Gesamtwerk und schließlich die Auswirkungen auf den potenziellen Markt oder Wert des Werks. Beim vierten Faktor hat das Gericht im März festgestellt, dass es einen blühenden Markt für E-Book-Lizenzen für Bibliotheken gibt. Das Angebot des Internet Archives verdränge die klagenden Verlage aus diesem Markt, entsprechend sei kein Fair Use gegeben.

Auf Bücher, die die Verlage nicht als E-Book vertreiben, passt diese Schlussfolgerung natürlich nicht. Allerdings kann daraus nicht geschlossen werden, dass Fair Use gegeben ist. Einschlägige Bücher waren weder Teil der Klage, noch haben die Kläger im Hauptverfahren Argumente dazu vorgebracht. Entsprechend kann sich die Unterlassungsanordnung nur auf Werke beziehen, die auch tatsächlich als E-Book kommerziell verfügbar sind.

Laut der Unterlassungsverfügung können die Unternehmensgruppen der vier klagenden Verlage Hachette, HarperCollins, John Wiley & Sons sowie Bertelsmann dem Internet Archive jederzeit Listen jener Werke übermitteln, die sie derzeit als E-Book kommerziell vermarkten. Dann hat das Internet Archive 14 Tage Zeit, diese Werke aus seiner Online Library zu nehmen. Das Verbot gilt für alle Ausgaben, selbst wenn nur eine als E-Buch verfügbar ist.

Ausgenommen von dem Verbot ist die Bereitstellung für Blinde und stark Sehschwache, die Bereitstellung mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Rechteinhaber, sowie Nutzungen, die nach geltendem Copyright zulässig sind. Darunter fällt neben Fair Use der Betrieb einer Bibliothek unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Werke, die gemeinfrei sind, darf das Internet Archive unbegrenzt verbreiten.

Zu beachten ist, dass die Unterlassungsverfügung fallen könnte: Denn sie beruht auf der ursprünglichen Feststellung der Copyrightverletzung. Dagegen wird das Internet Archive berufen. Sollte das keinen Erfolg zeitigen, bliebe die E-Book-Frage einem weiteren Verfahren überlassen.

Mehr Infos

Für eine Erläuterung von Fair Use siehe Warum Google Books in den USA legal ist bei heise online.

Wenig überraschend meinen die klagenden Verlage, dass es es juristisch keinen Unterschied mache, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk elektronisch oder nur gedruckt auf dem Markt ist. Das sei eine wirtschaftliche Entscheidung des Rechteinhabers, die Dritte zu respektieren hätten.

Das Internet Archive kann auf den Präzedenzfall Cambridge Univ. Press v. Patton verweisen: Dort beschuldigte der Verlag Cambridge University Press die Leitung einer Universität der Copyright-Verletzung: Sie duldeten, dass Studenten Auszüge aus geschützten Werken in Online-Foren der Universität posteten. Sowohl das Bundesbezirksgericht als auch das Berufungsgericht urteilten bezüglich der meisten Vorwürfe gegen den Cambridge-Verlag. Fair Use war gegeben, unter anderem weil der Verlag keine Lizenzen für digitale Auszüge feilbot. Und einen Markt, den es nicht gibt, kann man nicht beschneiden.

(ds)