UN-Forum zur Internet Governance soll offenes Netz verteidigen

Das Netz drohe immer mehr zum Spielball kommerzieller Interessen zu werden, proprietäre Standards seien auf dem Vormarsch, Kommunikationsprotokolle enthielten immer mehr Kontrollmechanismen zum Schutz geistigen Eigentums, hieß es im Vorfeld des 3. IGF.

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Von
  • Monika Ermert

Das Netz drohe immer mehr zum Spielball rein unternehmerisch-kommerzieller Interessen zu werden, proprietäre Standards seien auf dem Vormarsch, immer mehr Kontrollmechanismen werden im Namen von Sicherheit und Schutz von geistigem Eigentum eingebettet in die Kommunikationsprotokolle. Das schreibt eine Koalition von sechs indischen Nichtregierungsorganisationen in einem offenen Brief an das dritte Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen (UN). Das 3. IGF startet am heutigen Mittwoch in der indischen Stadt Hyderabad. Die Initiatoren des Briefs fordern, die Offenheit des Netzes durch konkrete Schritte zu sichern und für demokratischere Verhältnisse beim Thema Verwaltung des Internets zu sorgen.

Rund 80 Organisationen und eine Reihe von Einzelpersonen haben den Brief des Alternative Law Forum, des Bangalore Centre for Internet and Society, des Delhi Science Forum, der Free Software Foundation India und der Organisationen IT for Change und Knowledge Commons unterzeichnet. Das dritte IGF müsse einen Aktionsplan entwerfen, um spätestens im kommenden Jahr Maßnahmen zur Sicherung des offenen Netzes zu adressieren. Die Unterzeichner warnen vor einem "Versagen" des IGF, sollte es in den vier Kernfragen nicht weiterkommen.

Der weitere Kurs und die Zukunft des IGF ist Gegenstand vieler Diskussionen unmittelbar vor dem dritten Forum. Wie weit das Forum Politik konkret gestalten soll, ist umstritten. Das Forum müsse Empfehlungen machen, forderte in einer Diskussion von Nichtregierungsorganisationen am Dienstag Ralf Bendrath, Datenschutzexperte von der Technischen Universität Delft. Solche Empfehlungen etwa für den Datenschutz, die Meinungsfreiheit, Sicherheitsmaßnahmen würden allerdings jeweils offizielle Verhandlungen der Regierungen erforderlich machen.

"Daran werden Regierungen die Nichtregierungsorganisationen niemals teilhaben lassen", warnte Wolfgang Kleinwächter, Berater des IGF-Vorsitzenden Nitin Desai und Internet-Governance-Experte an der Universität Aarhus. Den gleichberechtigten Dialog zwischen Regierungsvertretern, Unternehmensvertretern und den Nichtregierungsorganisationen – das so genannte Multi-Stakeholder-Modell – nannte Kleinwächter einen zentralen Erfolg des IGF. Allerdings gebe es zahlreiche Gegner unter den Regierungen, die nicht gern mit den NGOs an einem Tisch säßen. In fünf Jahren läuft das erste Mandat des IGF aus. Bis dahin muss die UN entscheiden, ob das Forum fortgeführt werden soll.

Ein Nachfolger bietet sich mit der International Telecommunication Union (ITU) an, deren Generalsekretär kürzlich mit Kritik am IGF und gleichzeitiger Werbung für das World Telecom Policy Forum der ITU aufwartete. 2009 wird das WTPF sich genau mit den gleichen Fragen befassen wie das IGF. Bei der ITU-Variante des globalen Netzpolitik-Dialogs werden aber am Ende Empfehlungen gemacht – allein von den Regierungen. Eine Reihe von Experten riet den in Hyderabad versammelten NGOs dazu, sich in die ITU-Verhandlungen einzumischen. Der nach wie vor bestehende weitgehende Ausschluss von NGOs bei der ITU, der im Gegensatz zu anderen UN-Organisationen stehe, dürfe nicht hingenommen werden. Eine "Infizierung" der ITU mit dem Multi-Stakeholder-Modell wäre tatsächlich ein sichtbarer praktischer Erfolg des IGF.

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(Monika Ermert) / (jk)